Die Bezahlung von Hausarbeit war eine heftig debattierte Forderung der Neuen Frauenbewegung in den 1970ern und 1980ern (vgl. Wolf-Graaf, S. 176f). Ein Tabuthema wurde damit berührt: Hausarbeit wurde als weibliches Geschlechtsmerkmal in Frage gestellt und die Befreiung vom Zwang der Hausarbeit als Notwendigkeit zur Emanzipation der Frauen zur Debatte gestellt. Der Zwang zur Hausarbeit wurde als allen Frauen gemeinsames gesellschaftliches Unterdrückungsmoment in der Gesellschaft angesehen (vgl. Wolf-Graaf, S. 181). Dazu wurde u.a. die These aufgestellt, dass die Bezahlung der Hausarbeit Frauen in den Status einer Arbeiterin hebe und damit eine Befreiung stattfinde. Die Debatte entzündete sich an dem Punkt, wo klar wurde, dass die Berufstätigkeit der Frauen allein nicht die Befreiung bringe. Die bleibende Doppelbelastung der berufstätigen Frauen mit den "Pflichten der Haus- und Kinderarbeit" ist nach wie vor ein Ausdruck der Unterdrückung der Frauen.
Erstmals wurden Berechnungen angestellt, welch großen Anteil an erwirtschaftetem Volksvermögen die unbezahlte Arbeit von Frauen hat. Dagegen stellten sie den weltweit geringsten Anteil an Besitz (siehe Texte Erste Frauenbeauftragte). Diese Unverhältnismäßigkeit und Ungerechtigkeit führte zu einer Radikalisierung des feministischen Denkens und der politischen Forderungen der Neuen Frauenbewegung (siehe Text Frauenzentrum Bergmanngasse und Text Internationaler Frauentag).
Wie kam es zur Spaltung in Erwerbsarbeit und Hausarbeit?
Bis zur industriellen Revolution fand Arbeit im eigenen Haus statt. Bereiche und Kompetenzen waren getrennt, Hierarchien festgelegt. Die Frau hatte "Gehülfin des Mannes zu seyn" (Hahn, S. 165), Hausfrau und Mutter. Im Zuge der Industrialisierung kam es zur außerhäuslichen Arbeit, die von Anfang an für Frauen schlechtere Löhne und die untersten Hierarchien vorsah. Die Abhängigkeit vom Mann blieb, ob als Fabriksarbeiterin oder Dienstbotin.
"Damals trat zum erstenmal das immer wiederkehrende Spiel der wirtschaftlich Mächtigen aus dem Hintergrund hervor. Bei Arbeitskräftemangel wurden die Frauen als "wirtschaftliche Reservearmee" eingesetzt und bei Arbeitskräfteüberschuß die moralische und gesellschaftlich notwendige Pflicht der Gattin, Hausfrau und Mutter betont" (Hahn, S. 167).
"Die Verwobenheit von Arbeitsplatz, Haushalt und Familie schien die Konturen dieser Tätigkeiten als Erwerbsarbeit zu verwischen. Frauenlöhne wurden und werden ... niedriger gehalten. Sobald Frauen als Lohnempfängerinnen in dem ihnen als natürliche Berufung zugeschriebenen Ort des (re)produktiven Haushalts arbeiteten, entstand mit dem sozial konstruierten weiblichen Geschlechtscharakter ein ideologisch verbrämtes, ins Persönliche reichende "Nichtarbeitsverhältnis", das mit den Bestimmungen für "moderne Arbeitsverhältnisse" nicht zu regeln wäre." (Hauch1, S. 142)
Es galt als selbstverständlich, dass Ehefrauen ihre Hausarbeit durch den Lohn des Ehemannes abgegolten sahen. Die Dienstboten des Haushaltes wurden im 19. Jh. als Teil des Haushaltes gesehen, als Teil der Familie. Sie wurden dementsprechend kärglich entlohnt. "Aufgrund der schlechten Wohnverhältnisse kann durchaus angenommen werden, dass gerade den Dienstboten - vor allem, wenn sie in kleinbürgerlichen Haushalten dienten - oftmals kein entsprechendes Nachtquartier im Hause des Dienstgebers zur Verfügung stand, sondern dass wahrscheinlich auch in Graz Abstellkammern, Dielen, Küchen oder Badezimmer ... als "Schlafraum" dienten." (Reinprecht, S. 129) "Ein Katalog von Verhaltensforderungen, die auch den Privat- und Intimbereich der Dienstboten nicht ausklammerten, wurde an sie gestellt, um sie bei der kleinsten (vermeintlichen) Abweichung dieser - von der bürgerlichen Gesellschaft aufgestellten - Normen als charakterlos und tugendlos und daher als sozial minder zu entlarven." (Reinprecht, S. 44) Den Zugriffen der Herrschaft waren wenige Grenzen gesetzt, die durch den "privaten" Arbeitsbereich noch dazu verschleiert wurden.
Erstmals gab es 1787 eine "Stadtgesindeordnung" in Graz, um das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Dienstbotinnen und Dienstboten vertraglich zu regeln. Die Gegner und Gegnerinnen dieser Regelung beklagten, dass damit die Einbindung der Dienstbotinnen und Dienstboten in die "natürliche" Familienstruktur gefährdet sei. Ende des 18. Jh. setzte im Zuge der Polarisierung der "weiblichen" und "männlichen" Arbeiten eine Verweiblichung des Dienstbotenberufs ein. Im ersten Viertel des 19. Jh. betrug der Dienstbotenanteil an der Bevölkerung Wiens-Innenstadt 45%, davon fast 64% Frauen. Um 1900 sind hier schon 97% der Dienstboten Frauen. (Hauch2, 195) "Im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich ... auch in Graz der Dienstbotenberuf zu einem reinen Frauenberuf." (Reinprecht, S. 169) Der Großteil der Frauen kam aus dem umliegenden ländlichen Bereich. (siehe Reinprecht, S. 156f)
Die Gesindeordnungen des 19. Jh. behielten bis in die 1920er ihre Gültigkeit. Es gab keine Kranken- oder Alterversicherungen und bis 1910 existierte das Züchtigungsrecht des Hausherren.
Sophie von Scherer (1817-1876, eine Grazer Bürgerliche, die das erste aus der Perspektive einer Frau verfasste Pädagogische Werk der Monarchie zur Erziehung von Mädchen und Frauen schrieb: "Erfahrungen aus einem Frauenleben", Graz 1848) war eine Protagonistin der Wohltätigkeit für Dienstboten. Sie forderte „"Menschenrecht" für sie, denn "sollen sie mehr leisten als wir?" Sie regte einen "Aussteuerbeitrag für wegen Heirat aus dem Dienst Scheidende" und eine "Spar- und Versorgungskassa" an, die aus einem Drittel des Lohnes bestehen sollte...Die von Hindernissen begleiteten Heiratsmöglichkeiten für untere Schichten bedeuteten für sie ein fundamentales soziales Problem, weshalb sie die Freigebung der Ehe für "sittliche(n), wenn auch sehr arme(n) Menschen"...vertrat. Davon versprach sie sich eine Reduzierung der hohen Zahl der unehelich geborenen Kinder.“ (Hauch2, S. 31)
Den bürgerlichen Frauen, den "Hausfrauen", blieb in den Bereichen des öffentlichen Engagements im Gegensatz zu den Männern nur ihr Einsatz in Form einer "sozialen Mutterschaft" für die Schwachen der Gesellschaft in Wohltätigkeits- und Fürsorgevereinen. In den von ihnen gegründeten Heimen wurden neben Waisen und armen Kindern auch Dienstbotinnen untergebracht. Armut sollte mit Sittlichkeit und Arbeit bekämpft werden, nicht durch gesetzlichen Schutz und Rechtsgrundlagen.
Die erste und einzige Dienstbotenversammlung als Ausdruck des Protestes von Dienstbotinnen der Monarchie fand in Wien im Revolutionsjahr 1848 statt (vgl. Hauch2, S. 198). Dabei blieb es lange Zeit.
Die erste politische Bewegung, die sich dieser Berufsgruppe annahm, war die ArbeiterInnenbewegung. Sie begriff die Dienstbotinnen als Arbeiterinnen, die einen außerhäuslichen Arbeitsplatz hatten und eine gesetzliche Regelung von Arbeits- und Freizeit brauchten. Schläge und Vergewaltigung, Verarmung und Elend sollten verhindert werden, indem Gesetze geschaffen wurden, die Schutz und Sanktionen garantierten. (Hauch1, S. 198)
Am 15. August 1892 wurde in der Steinfelder Bierhalle in der Schießstattgasse in Graz die erste Arbeiterinnenversammlung abgehalten - und von der Polizei ausnahmsweise nicht aufgelöst. Die Fabriksarbeiterin Adelheid Dworak (verh. Popp, 1869-1939, Nationalratsabgeordnete der sozialdemokratischen Partei) aus Wien war die geladene Gastrednerin. Der Erfolg dieser Versammlung war so groß, dass in der Woche darauf von einer Frauenversammlung die Gründung eines Arbeiterinnenbildungsvereines beschlossen wurde. (Frauen war ein politisches Versammlungsrecht bis 1918 nicht erlaubt, daher wurde auf Bildungsvereine ausgewichen.)
Martha Tausk war jene Grazer sozialdemokratische Politikerin der 1920er Jahren, die sich explizit für eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung von Hausgehilfinnen einsetzte. Und sie war es auch, die forderte, dass Ehejahre wie Arbeitsjahre versicherungspflichtig sein sollten!
Die Hausgehilfinnen seien im Gegensatz zur Ansicht der Sozialdemokratinnen nicht als Arbeiterinnen zu sehen: das war die christlich-soziale Diktion. Die konservativen Politikerinnen im Parlament waren selbst oft Hausfrauen, also Dienstgeberinnen.
Es bestanden größte Interessenskonflikte zwischen DienstgeberInnen und Dienstnehmerinnen. Durch den steilen materiellen Abstieg des Mittelstandes in den 1920er Jahren wurde deutlich, dass auch bürgerliche Ehefrauen ihren Haushalt selbst besorgen mußten. Die Dienstbotinnen wanderten möglichst in Arbeiterinnenberufe ab. Um so mehr wurde von konservativer Seite die sittliche Bedeutung der Arbeit im Haushalt betont und dass dies zutiefst weibliche Arbeitsaufgaben seien. Dienen, Selbstverleugnung, ein Leben für andere, persönliche Abhängigkeitsverhältnisse wurden als weiblicher Sozialcharakter in Form dieses Berufs empfohlen. Auch das spezielle Vertrauensverhältnis von Dienstbotinnen in der Familie wurde als Argumentation gegen eine Gleichbehandlung mit Arbeiterinnen eingesetzt.
1922 entstand die Idee, weibliche Beamte für Arbeiten im Haushalt umzuschulen. Viele hatten ihre Arbeit zugunsten von männlichen Kriegsheimkehrern verloren. Ihnen konnte man aber die geringe Entlohnung der gewöhnlichen Hausgehilfinnen nicht wirklich zumuten. Hier geriet sogar die konservative Olga Rudel-Zeynek (1871-1948, erste christlich-soziale Landtagsabgeordnete in der Steiermark, später Nationalratsabgeordnete) in Zugzwang und forderte im Nationalrat eine finanzielle Besserstellung und Aufwertung des Berufs der Hausgehilfinnen. "(D)enn sonst könnten wir dazu kommen, daß man sagt, die Hausfrauen und die Haustöchter verlangen auch eine Entlohnung, und da wird es mit dem Achtstundentag nicht gehen, da müßten die Männer ganz gewaltige Überstunden zahlen" (Hauch1, S. 150).
Auf ihre Äußerung hin gab es allgemeines Gelächter im Parlament, das fast ausschließlich von Männern besetzt war.
In den 20ern verschärfte sich die Lage der Dienstbotinnen durch steigende Arbeitslosigkeit. Umso mehr zeigte sich die Notwendigkeit einer Altersvorsorge. Mehr als zwei Drittel der Dienstbotinnen arbeitete immer noch mehr als 13 Stunden, mehr als die Hälfte mehr als 14 Stunden. Die sozialdemokratischen Parlamentspolitikerinnen verlauteten, dass sie so lange die Interessen der Hausgehilfinnen vertreten würden, bis sie nicht nur gegen Krankheit, sondern auch gegen Arbeitslosigkeit, Alter und Invalidität versichert seien.
Erst in den 1960er Jahren gab es wieder eine Reform, die den Schutz der Privatsphäre, einen abschließbaren Raum vorschrieb, besser geregelte Urlaubszeiten und höhere Verdienste. Heute gibt es noch immer genug Mißstände für Hausgehilfinnen: Oft wird das vorgeschriebene 14. Jahresgehalt nicht bezahlt, noch immer keine 40 Stundenwoche, keine gesetzliche Vertretung (die Frauen können nur zur Arbeiterkammer um Beratung gehen), keine Kollektivvertrag und oft vorzeitige Entlassung von älteren Frauen, bevor das Pensionsalter erreicht ist. Um die 100.000 Arbeitende im Hausarbeitsbereich werden für Österreich geschätzt. Die Zahl der illegal Beschäftigten steigt. Ihre Arbeit ist schlecht bezahlt. (aus der ORF Sendung vom 18.12.2000 im Rahmen von „Journal Panorama“: Elisabeth Ohnemus, Hausgehilfinnen im 3. Jahrtausend: Zurück zur „Dienstbotenfrage“?)
Ausgewählte Literatur:
Georg Hahn, Angelica und Friedrich Götz, Brigitte Marcher, Kinder Küche, Kleider... Historische Texte zur Mädchenerziehung, Wien 1982
Gabriella Hauch, Vom Frauenstandpunkt aus. Frauen im Parlament 1919-1933, Wien 1995 (Hauch1)
Gabriella Hauch, Frau Biedermeier auf den Barrikaden. Frauenleben in der Wiener Revolution 1848, Wien 1990 (Hauch2)
Gabriella Hauch, Der diskrete Charme des Nebenwiderspruchs. Zur sozialdemokratischen Frauenbewegung vor 1918, in: Wolfgang Maderthaner, Sozialdemokratie und Habsburgerstaat, Wien 1988 (Hauch3)
Waltraud Reinprecht, Die rechtliche und soziale Lage der häuslichen Dienstboten in Graz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Phil.Diss, Graz 1989
Anke Wolf-Graaf, Frauenarbeit im Abseits. Frauenbewegung und weibliches Arbeitsvermögen, München 1981
Text und Recherche: Ilse Wieser
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