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Autonomes Frauenzentrum - Hausbesetzung
19.3.1991 – 18.4.1991

Bezug zu Graz: Erste und einzige Hausbesetzung durch Frauen

Autonomes Frauenzentrum - Hausbesetzung - Mauerreste in der Zimmerplatzgasse - FotografIn: Ilse Wieser, Aufnahmejahr: 1995
Autonomes Frauenzentrum - Hausbesetzung - Frühjahr 1991 Autonomes Frauenzentrum - Hausbesetzung - Frühjahr 1991 Autonomes Frauenzentrum - Hausbesetzung Autonomes Frauenzentrum - Hausbesetzung - NEUE ZEIT, 20.März 1991


„Feuer und Flamme für das Matriarchat ...“
(Parole der Autonomen Frauenbewegung)


Eine Wiese, verwildert mit vereinzelt wachsenden Bäumen – dicke alte Mauern die sich um einen ganzen Block erstrecken und an einem Teil durch Eisengitter ersetzt wurden.
Das Areal, das im hinteren Teil eine Ansammlung von Häusern birgt, scheint etwas zu missen.
Doch nur noch wenige verblasste Schriftzüge wie „FASCHOS RAUS – FRAUENZENTRUM HER“ (Parole der „autonomen Frauengruppe“) an den Außenmauern des Grundstückes erinnern an das Geschehen 1991 als das Haus in der Zimmerplatzgasse 15 weichen musste.

Seit 1983 stand das ehemalige Ambulatorium des Landes – Tierspitals leer – jetzt, im März 2002, steht nur mehr der Torbogen des 1834 errichteten Gebäudes.

Acht Jahre lang war das Haus ungenutzt geblieben, war drauf und dran dem Verfall preisgegeben zu werden bis zum 19. März 1991, dem Josephitag, der Tag des steirischen Landespatrons.
An diesem Tag, an dem keine Ämter geöffnet waren, begann eine Gruppe von ungefähr 15 „autonomen Frauen“ ab 11 Uhr vormittags das Haus zu besetzen.
Dieses Haus wurde aus drei Gründen von den Frauen gewählt:
Das Gebäude war relativ zentral gelegen und daher ein geeigneter Treffpunkt, es stand seit langem leer und war, nach Prüfung einer Architektin, durchaus noch bewohnbar.

Die Idee zur Besetzung entstand aus der Notwendigkeit heraus ein „autonomes Zentrum“ für Frauen aufzubauen, das keinerlei subventorischen Zwängen unterliegen würde und sich dadurch ohne Fremdeinwirkungen durch Bund, Land oder andere hierarchisch strukturierte Instanzen selbstverwalten könnte. Denn, so lautete eine zweite Parole der „autonomen Frauengruppe“, „...der größte Zuhälter ist der Staat“.
Hier sollte ein Freiraum geschaffen werden, eine Ergänzung zu bereits bestehenden „Frauen – bestimmten“ Räumen.

Nach kurzer Zeit schon war das Haus in der Zimmerplatzgasse von 40 Polizeibeamten und 17 Feuerwehrleuten umzingelt. Da es sich aber um eine Liegenschaft des Landes Steiermark handelte, konnte das Grundstück nicht ohne Bescheid der Landesregierung geräumt werden, gab die damalige Grünen – Abgeordnete Gundi Kammlander (1950-2002) zu bedenken.

Da der zuständige Liegenschaftsverwalter nicht erreichbar war, musste der Räumungsbefehl durch den Einsatzleiter wieder zurückgezogen werden.

Im Vorfeld zu dieser Hausbesetzung schlossen sich Frauen zusammen, die aus unterschiedlichsten Teilen der damaligen Grazer Autonomen Frauenszene kamen.
Das Vorhaben konnte sich zu dieser Zeit nur durch Mundpropaganda verbreiten und musste angesichts der Illegalität sowohl geheim vor sich gehen als auch gehalten werden.
Manche Frauen, die durchaus bereit gewesen wären das Haus mitzubesetzen oder auf anderem Weg aktiv an der Besitznahme des Hauses teilzunehmen, haben oft erst sehr spät davon erfahren. Dadurch fühlten sich viele Frauen vom Vorhaben ausgeschlossen und standen der Aktion folglich mit gemischten Gefühlen gegenüber.

Auch die Bevölkerung war den Frauen weniger gut gesonnen, da die Medien ein verzerrtes Bild der Umstände und Tatsachen transportierten und die Hausbesetzerinnen oft lächerlich oder kriminell dargestellt wurden.

Während den beinahe vier Wochen der Hausbesetzung organisierten die Frauen Diskussionsabende, Veranstaltungen, Fahrradreparatur & Auto – Mechanikerinnen – Kurse, usw.
Neben dem Angebot, das außer den gerade erwähnten Aktionen ansatzweise bereits einen Teil des Programms des geforderten „autonomen Frauenzentrums“ beinhaltete, sollte es auch Werkstätten, ein Café, eine Bibliothek und ein kleines Frauenhotel geben. Gedacht waren die Einrichtungen für alle Frauen.

Während der vier Wochen, in dem die Frauen trotz schlimmster sanitärer Umstände dem Land Steiermark Widerstand leisteten, bemühten sie sich auch um Termine mit der Liegenschaftsverwaltung.

Einen Tag vor dem Termin mit der Liegenschaftsverwaltung, am 18. April des selben Jahres mussten die Hausbesetzerinnen das Haus unfreiwillig räumen.
Sie wurden um 8.30 Uhr durch Bulldozer geweckt, die das Haus, in dem sie sich aufhielten, abreißen sollten. Man gab den sich zu dieser Zeit im Haus befindlichen vier Frauen eine Stunde Zeit das Haus zu räumen. Unter herabfallenden Ziegelteilen verließen die Frauen das Gebäude und bekamen im selben Atemzug Anzeigen wegen Hausfriedensbruch, Stromabzapfens, usw.
Da die Frauen (u.a. Maria Kröll und Reni Hofmüller) nie bzw. nur z.T. vor Gericht erschienen wurde schließlich das Verfahren ruhig gestellt.

Obwohl es heutzutage in beinahe allen größeren Städten ein „Autonomes Frauenzentrum“ dieser Art gibt, war es bis zu diesem Tag noch nicht möglich eine derartige Einrichtung in Graz aufzubauen.


Dokumente und Quellenangabe:
Kleine Zeitung Graz, 20.3.1991, 12.4.1991, 13.4.1991, 19.4.1991.
Kronenzeitung Graz, 19.4.1991, 20.4.1991.
Neue Zeit, 20.3.1991, 21.3.1991, 22.3.1991, 24.3.1991, 29.3.1991, 30.3.1991, 6.4.1991, 19.4.1991.
Der Standard, 20.3.1991, 19.4.1991.
Vier Interviews, davon zwei anonym, eines mit Reni Hofmüller und eines mit Maria Kröll.

Ausgewählte Literatur:
Dehio Graz, Graz: Die Kunstdenkmäler Österreichs, Wien 1979

Text und Recherche: Olivia M. Lechner

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