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MÄDCHENBILDUNG

1873: Gründung des ersten 6 klassigen Mädchenlyzeums der Donaumonarchie
1989: Gründung der Mädchenberatungsstelle Mafalda

Mädchenlyzeum:
Das erste 6 klassige Mädchen-Lyzeum der Donaumonarchie (als Beispiel für schulische höhere Mädchenbildung) wurde am 11.10.1873 in Graz eröffnet.

Umfeld: Oktavia Aigner-Rollett war eine der Absolventinnen des Mädchenlyzeums.

mafalda - für junge mädchen und junge frauen
Gruppenfoto des Jahrganges 1921 - 1929 des Städtischen Reform-Realgymnasiums in Graz (ehemaliges Mädchenlyzeum) Gruppenfoto des Jahrganges 1921 - 1929 des Städtischen Reform-Realgymnasiums in Graz (ehemaliges Mädchenlyzeum) aus dem Jahr 1974

In den 70iger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden erste Initiativen zur Gründung eines Mädchenlyzeums in Wien (eine der Verfechterinnen war Marianne Hainisch) und Graz gestartet. Federführend in Graz war der Landesschulinspektor und engagierte Pädagoge Mathias Wretschko, der in den Jahren 1872/73 einige Artikel in der Grazer Tagespost zur Mädchenbildung veröffentlichte. Sein ursprünglicher Plan war eine achtklassige Mädchenmittelschule entsprechend eines Realgymnasiums mit allen naturwissenschaftlichen Fächern und den modernen Sprachen, sowie Latein und Griechisch als Wahlfächern. Die InitiatorInnen des Mädchenlyzeums wiesen vor allem auf das Recht auf Bildung für Frauen hin, aber auch auf Selbständigkeit und Erwerbstätigkeit in der Gesellschaft.
Gertrud Simon vermutet, dass die Artikel Wretschkos eine rege Diskussion in der Grazer Öffentlichkeit ausgelöst hatten. (Simon, Festschrift S. 6) So lässt sich auch erklären, warum Wretschko in seinen späteren Artikel betonte, dass das Mädchenlyzeum sicher nicht „gelehrte“ Blaustrümpfe erziehen werde und vor allem, dass die InitatorInnen sicher nichts mit der „Frauenemancipation“ im Sinne hätten.

1873 wurde das erste sechsklassige Mädchenlyzeum der Donaumonarchie in Graz eröffnet. Der ursprüngliche Plan einer achtjährigen Schule konnte auf grund des Drucks der öffentlichen Meinung nicht umgesetzt werden.
Durch Spendensammlungen eines liberalen „Damencomitees“, in dem sich unter anderem Baronin Kübeck (Frau des Statthalters für Steiermark) und Nina Kienzl (Frau des Bürgermeisters der Stadt) engagierten, wurde Geld für die Errichtung des privaten Mädchenlyzeums gesammelt. In das Haus Neutorgasse 4 (heute Kaiserfeldgasse 29) zog das Mädchenlyzeum im Oktober 1873 ein. Die Fächer, die unterrichtet wurden, waren neben den „obligaten“ Gegenständen Französisch, Englisch, Arithmetik, Geographie und Naturgeschichte, Turnen, aber nicht(!) Handarbeiten, was auf einen fortschrittlichen Anspruch der Schule hinweist.
Die Schülerinnen (74 im ersten Schuljahr) kamen alle aus sehr wohlhabenden Familien, denn ein monatliches Schulgeld von 12 Gulden war nicht leicht aufzubringen. Durch Subventionen verringerte sich das Schulgeld auf die Hälfte im Lauf der folgenden Jahre. Aufgrund des nun recht großen Zulaufs in das Mädchenlyzeum, mussten schon bald neue Räumlichkeiten gefunden werden.
1876 zog die Schule in das Haus Sackstraße 18 (dem heutigen Stadtmuseum), wo sie bis 1938 beheimatet war.
1885 erhielt das Mädchenlyzeum Öffentlichkeitsrecht und stand unter städtischer Verwaltung.

Die Absolventinnen des Mädchenlyzeums konnten nach kurzer zusätzlicher Studienzeit Prüfungen ablegen, die sie berechtigten, an Volks- und Bürgerschulen Sprachen zu unterrichten oder ab 1897 als außerordentliche Hörerinnen an einigen Fakultäten der Universität Graz zu inskripieren. Erst 1902 war es den Schülerinnen möglich am Mädchenlyzeum zu maturieren (Lyzealmatura). 1912 erhielt das Mädchenlyzeum das „Normalstatut“, d.h. ein ähnlich dem Knabengymnasium achtklassiges System mit Matura. Bis dahin mussten sie die Reifeprüfung als Externe in Knabengymnasien ablegen. Oktavia Rollett, die erste steirische niedergelassene praktische Ärztin, soll stellvertretend für viele andere Absolventinnen des Mädchen-Lyzeums erwähnt werden.

Die Jahre des ersten Weltkrieges waren auch für die Schule Krisenjahre – vor allem im Bereich der Finanzierung. Mit einem Ersuchen an die Regierung der Ersten Republik baten die Schulerhalter um Übernahme in die staatliche Verwaltung. Dies wurde nicht gewährt, da die Finanznot des Staates in den zwanziger Jahren die Schulerhaltung nicht vorsah. Obwohl das Schulgebäude längst viel zu klein war, war an eine Übersiedlung in den 30iger Jahren nicht zu denken.
Unter den diktatorischen Regimen Österreichs 1934-1945 (Austrofaschismus, Nationalsozialismus) kam es zu Namens- und Lehrplanänderungen. 1938 wurde die Schule verstaatlicht – dies hatte man zwar lange angestrebt, aber nun wurde es unter politischem Druck erzwungen. Das Gebäude in der Sackstraße (Stadtmuseum) wurde endgültig zu klein und die Schule übersiedelte in das Ursulinenkloster in der Leonhardstraße. Da das Ursulinenkloster in den Kriegsjahren zum Lazarett erklärt wurde, übersiedelte die Schule ins Sacre Coeur-Kloster in der Petersgasse. Aufgrund der zahlreichen Bombenangriffe wurde von März bis September 1945 kein Unterricht abgehalten.

Von 1945 – 1967 wurde in den Räumen des Liechtenfelsgymnasiums unterrichtet und ab 1967 wurde für die Schule ein Neubau in der Seebachergasse 11 errichtet. (heute Seebachergymnasium)
Bis 1978/79 war dieses Gymnasium eine reine Mädchenschule, aber seit nunmehr 23 Jahren wird diese Schule aufgrund einer Verordnung koedukativ geführt.


Als Beispiel für außerschulische Mädchenbildung sei die Beratungsstelle Mafalda erwähnt, die es seit 1989 in Graz gibt.
Mafalda. (Verein zur Förderung und Unterstützung von Mädchen und jungen Frauen) ist eine Beratungsstelle für Mädchen und junge Frauen. Die Beratungsstelle war bis Oktober 1994 in der Afritschgasse 35 untergebracht. Seit dieser Zeit befinden sich Büro- und Kursräume in der Glacisstraße 9. Mafalda hat mittlerweile 17 Mitarbeiterinnen (16 Teilzeit, 1 Vollzeit) und zahlreiche Honorarkräfte.

In ganz Österreich gibt es zur Zeit drei Mädchenberatungsstellen – Wien, Klagenfurt und Graz. Der Verein Mafalda ist heute Trägerin einer Beratungsstelle (psychosozialer Bereich), hat einen Schwerpunkt mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ( arbeitsmarktspezifischer Bereich) und führt zudem eine Reihe von Projekten im Bildungsbereich durch. 

Im Jahr 2001 hatten 3400 Mädchen und junge Frauen Kontakt mit Mafalda, sei es in Kursen, die im Rahmen des Zentrums für Ausbildungsmanagement durchgeführt wurden, sei es in Beratungsgesprächen oder bei diversen Workshops, die im außerschulischen Bildungsbereich angeboten werden.

Zentrum für Ausbildungsmanagement:
Diese Maßnahme will Mädchen und jungen Frauen den Zugang zu nicht-traditionellen und zukunftsträchtigen innovativen Lehrberufen (zum Beispiel Mediendesignerin, Informatikerin) erleichtern und ihre Qualifizierungsmöglichkeiten erleichtern.

Beratung:
Mädchen und junge Frauen im Alter von 13 bis 21 wenden sich an die Beratungsstelle; Hauptthemen sind die Berufswahl und –orientierung, Arbeitsplatzprobleme, Stellensuche, familiäre Schwierigkeiten, psychische Probleme, rechtliche und finanzielle Fragen, Probleme mit Freundinnen und Freunden, Schwierigkeiten und Unsicherheiten mit dem eigenen Lesbischsein, Fragen zur Sexualität, Verhütung und Schwangerschaft und sexuelle Missbrauchs- und Gewalterfahrungen.

Außerschulisches Bildungsprogramm:
Workshops in folgenden Bereichen werden angeboten: Selbstverteidigung (besonders gefragt), Computer und Internet, Klettern, Metall...

Mafalda geht aufs Land:
Seit 1997 werden Teile des Bildungsprogramms in verschiedenen Regionen der Steiermark angeboten.


Ausgewählte Literatur:
Festschrift – 120 Jahre BG & BRG Seebachergasse. Graz 1993.

Gertrud Simon, Mädchenbildung und die Situation der Lehrerinnen in Graz (1774 – 1914), in: Über den Dächern von Graz ist Liesl wahrhaftig. Eine Stadtgeschichte der Grazer Frauen. Hg. von Carmen Unterholzer, Ilse Wieser. Wien 1996.

Gertrud Simon, Hintertreppen zum Elfenbeinturm. Mädchenbildung in Österreich. Anfänge und Entwicklungen. Wien 1993.

Grazer Tagespost

Text und Recherche: Brigitte Dorfer
Dank an Gertrud Simon für die Fotos.


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