In den 70iger Jahren des
19. Jahrhunderts wurden erste Initiativen zur Gründung eines Mädchenlyzeums
in Wien (eine der Verfechterinnen war Marianne Hainisch) und Graz gestartet.
Federführend in Graz war der Landesschulinspektor und engagierte Pädagoge
Mathias Wretschko, der in den Jahren 1872/73 einige Artikel in der Grazer
Tagespost zur Mädchenbildung veröffentlichte. Sein ursprünglicher
Plan war eine achtklassige Mädchenmittelschule entsprechend eines
Realgymnasiums mit allen naturwissenschaftlichen Fächern und den modernen
Sprachen, sowie Latein und Griechisch als Wahlfächern. Die InitiatorInnen
des Mädchenlyzeums wiesen vor allem auf das Recht auf Bildung für
Frauen hin, aber auch auf Selbständigkeit und Erwerbstätigkeit
in der Gesellschaft.
Gertrud Simon vermutet, dass die Artikel Wretschkos eine rege Diskussion in der Grazer Öffentlichkeit
ausgelöst hatten. (Simon, Festschrift S. 6) So lässt sich auch
erklären, warum Wretschko in seinen späteren Artikel betonte,
dass das Mädchenlyzeum sicher nicht „gelehrte“ Blaustrümpfe erziehen
werde und vor allem, dass die InitatorInnen sicher nichts mit der „Frauenemancipation“
im Sinne hätten.
1873 wurde das erste sechsklassige Mädchenlyzeum
der Donaumonarchie in Graz eröffnet. Der ursprüngliche Plan einer
achtjährigen Schule konnte auf grund des Drucks der öffentlichen
Meinung nicht umgesetzt werden.
Durch Spendensammlungen eines liberalen
„Damencomitees“, in dem sich unter anderem Baronin Kübeck (Frau des
Statthalters für Steiermark) und Nina Kienzl (Frau des Bürgermeisters
der Stadt) engagierten, wurde Geld für die Errichtung des privaten
Mädchenlyzeums gesammelt. In das Haus Neutorgasse 4 (heute Kaiserfeldgasse
29) zog das Mädchenlyzeum im Oktober 1873 ein. Die Fächer, die
unterrichtet wurden, waren neben den „obligaten“ Gegenständen Französisch,
Englisch, Arithmetik, Geographie und Naturgeschichte, Turnen, aber nicht(!)
Handarbeiten, was auf einen fortschrittlichen Anspruch der Schule hinweist.
Die Schülerinnen (74 im ersten Schuljahr) kamen alle aus sehr wohlhabenden
Familien, denn ein monatliches Schulgeld von 12 Gulden war nicht leicht
aufzubringen. Durch Subventionen verringerte sich das Schulgeld auf die
Hälfte im Lauf der folgenden Jahre. Aufgrund des nun recht großen
Zulaufs in das Mädchenlyzeum, mussten schon bald neue Räumlichkeiten
gefunden werden.
1876 zog die Schule in das Haus Sackstraße 18 (dem heutigen Stadtmuseum),
wo sie bis 1938 beheimatet war.
1885 erhielt das Mädchenlyzeum Öffentlichkeitsrecht und stand
unter städtischer Verwaltung.
Die Absolventinnen des Mädchenlyzeums konnten nach kurzer zusätzlicher
Studienzeit Prüfungen ablegen, die sie berechtigten, an Volks- und
Bürgerschulen Sprachen zu unterrichten oder ab 1897 als außerordentliche
Hörerinnen an einigen Fakultäten der Universität Graz zu
inskripieren. Erst 1902 war es den Schülerinnen möglich am Mädchenlyzeum
zu maturieren (Lyzealmatura). 1912 erhielt das Mädchenlyzeum das „Normalstatut“,
d.h. ein ähnlich dem Knabengymnasium achtklassiges System mit Matura.
Bis dahin mussten sie die Reifeprüfung als Externe in Knabengymnasien
ablegen. Oktavia Rollett, die erste steirische niedergelassene praktische
Ärztin, soll stellvertretend für viele andere Absolventinnen
des Mädchen-Lyzeums erwähnt werden.
Die Jahre des ersten Weltkrieges waren auch für die Schule Krisenjahre
– vor allem im Bereich der Finanzierung. Mit einem Ersuchen an die Regierung
der Ersten Republik baten die Schulerhalter um Übernahme in die staatliche
Verwaltung. Dies wurde nicht gewährt, da die Finanznot des Staates
in den zwanziger Jahren die Schulerhaltung nicht vorsah. Obwohl das Schulgebäude
längst viel zu klein war, war an eine Übersiedlung in den 30iger
Jahren nicht zu denken.
Unter den diktatorischen Regimen Österreichs 1934-1945 (Austrofaschismus,
Nationalsozialismus) kam es zu Namens- und Lehrplanänderungen. 1938
wurde die Schule verstaatlicht – dies hatte man zwar lange angestrebt,
aber nun wurde es unter politischem Druck erzwungen. Das Gebäude in
der Sackstraße (Stadtmuseum) wurde endgültig zu klein und die
Schule übersiedelte in das Ursulinenkloster in der Leonhardstraße.
Da das Ursulinenkloster in den Kriegsjahren zum Lazarett erklärt wurde,
übersiedelte die Schule ins Sacre Coeur-Kloster in der Petersgasse.
Aufgrund der zahlreichen Bombenangriffe wurde von März bis September
1945 kein Unterricht abgehalten.
Von 1945 – 1967 wurde in den Räumen des Liechtenfelsgymnasiums
unterrichtet und ab 1967 wurde für die Schule ein Neubau in der Seebachergasse
11 errichtet. (heute Seebachergymnasium)
Bis 1978/79 war dieses Gymnasium eine reine Mädchenschule, aber
seit nunmehr 23 Jahren wird diese Schule aufgrund einer Verordnung koedukativ
geführt.
Als Beispiel für außerschulische Mädchenbildung sei
die Beratungsstelle Mafalda erwähnt, die es seit 1989 in Graz gibt.
Mafalda. (Verein zur Förderung und Unterstützung von
Mädchen und jungen Frauen) ist eine Beratungsstelle für Mädchen
und junge Frauen. Die Beratungsstelle war bis Oktober 1994 in der Afritschgasse
35 untergebracht. Seit dieser Zeit befinden sich Büro- und Kursräume
in der Glacisstraße 9. Mafalda hat mittlerweile 17 Mitarbeiterinnen
(16 Teilzeit, 1 Vollzeit) und zahlreiche Honorarkräfte.
In ganz Österreich gibt es zur Zeit drei Mädchenberatungsstellen
– Wien, Klagenfurt und Graz. Der Verein Mafalda ist heute Trägerin
einer Beratungsstelle (psychosozialer Bereich), hat einen Schwerpunkt mit
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ( arbeitsmarktspezifischer Bereich)
und führt zudem eine Reihe von Projekten im Bildungsbereich durch.
Im Jahr 2001 hatten 3400 Mädchen und junge Frauen Kontakt mit Mafalda,
sei es in Kursen, die im Rahmen des Zentrums für Ausbildungsmanagement
durchgeführt wurden, sei es in Beratungsgesprächen oder bei diversen
Workshops, die im außerschulischen Bildungsbereich angeboten werden.
Zentrum für Ausbildungsmanagement:
Diese Maßnahme will Mädchen und jungen Frauen den Zugang
zu nicht-traditionellen und zukunftsträchtigen innovativen Lehrberufen
(zum Beispiel Mediendesignerin, Informatikerin) erleichtern und ihre Qualifizierungsmöglichkeiten
erleichtern.
Beratung:
Mädchen und junge Frauen im Alter von 13 bis 21
wenden sich an die Beratungsstelle; Hauptthemen sind die Berufswahl und
–orientierung, Arbeitsplatzprobleme, Stellensuche, familiäre Schwierigkeiten,
psychische Probleme, rechtliche und finanzielle Fragen, Probleme mit Freundinnen
und Freunden, Schwierigkeiten und Unsicherheiten mit dem eigenen Lesbischsein,
Fragen zur Sexualität, Verhütung und Schwangerschaft und sexuelle
Missbrauchs- und Gewalterfahrungen.
Außerschulisches Bildungsprogramm:
Workshops in folgenden
Bereichen werden angeboten: Selbstverteidigung (besonders gefragt), Computer
und Internet, Klettern, Metall...
Mafalda geht aufs Land:
Seit 1997 werden Teile des Bildungsprogramms
in verschiedenen Regionen der Steiermark angeboten.