Ein Kochbuch und seine Schöpferin:
Man nehme - DIE PRATO!
Bereits die Flitterwochen sollen von Diätsorgen ihres frisch gebackenen Ehemannes überschattet gewesen sein. Katharina Pratos erster Ehemann litt unter einem schweren Magenleiden und sie reagierte damit, sich immer neue Speisen auszudenken. Sie schrieb Rezepte auf. Und so entstanden die ersten Aufzeichnungen für das Kochbuch, das später so berühmt werden sollte.
Katharina Polt war die Tochter eines "Privatiers" und alles, was wir über ihre Erziehung wissen, ist, dass sie wie alle "Höheren Töchter" unter anderem Klavierspielen und Französisch lernte.
Sie war 40 Jahre alt, als sie den schon kranken Eduard Pratobevera, provisorischer Vorstand des Archivs und des Münz- und Antikenkabinetts am Grazer Joanneum, heiratete. Nach einem knappen Jahr starb er. Drei Jahre später heiratete sie dessen Jugendfreund, Johann von Scheiger, Postdirektor und Konservator von Steiermark und Kärnten mit der kaiserlichen Auszeichnung "Edler von", was auch sie verwenden konnte. Katharina begleitete ihn auf seinen häufigen Dienstreisen und notierte in den Gasthäusern Kochrezepte von Speisen, die sie schätzte.
Das Ordnen und Katalogisieren hatte sie mit den Ehemännern gemeinsam, aber ihr Inhalt war ein besonderer: Kochrezepte, die sie auch im "ausgedehnten Bekanntenkreis" kursieren liess. Die Folge war eine Ermunterung zur Herausgabe eines Kochbuches.
Es sollte nicht irgendein Kochbuch werden, sondern es sollte Anfängerinnen dienen und den Selbstunterricht fördern: ein praxisorientiertes Kochbuch war Katharina Pratos besonderes Anliegen. Es wurden "alle Stände" bedient, besonders der Mittelstand. Der "Hausmannskost" wurde breiter Raum gelassen, aber auch aufwändigere Festspeisen wurden angeboten. Die Rezepte waren auf eine kleinere Personenzahl gerichtet. Es gab keine Fantasierezepte, alles war in klarer Sprache und mit guter Vermittlung abgefasst. "Mein Hauptzweck war, diese Arbeit als `Leitfaden für Anfängerinnen´ vorzüglich für angehende Hausfrauen brauchbar zu machen" (Thümmel, S 58). Sie war der Überzeugung, dass bei den zeitgenössischen Teuerungen die Hausfrauen oft selbst kochen müssten und diese Arbeit nicht einer Köchin überlassen könnten. Damit war der Grundstein zum Erfolg gelegt, weil sich die damaligen Kochbücher selten an der Praxis orientierten.
Und so wurde die "Süddeutsche Küche" der österreichische Küchenbestseller schlechthin. Die erste Auflage war mit 348 Seiten vergleichsweise bescheiden. Sie wurde 1858 bei Leykam in Graz verlegt. Die nächsten Auflagen (20. Auflage im Jahr 1889) beim Verlag Styria in Graz nahmen an Umfang immer mehr zu. Die 76. und 77. Auflage erreichte 1048 Seiten! Es ist das bis heute auflagenstärkste Buch des Verlags Styria. Bemerkenswert ist die literarische Qualität ihrer Bücher: Sie wird in ehrenden Erwähnungen immer wieder als "schriftstellernde Kochkünstlerin" gewürdigt.
Sie betonte, dass die jeweils neuen Auflagen keine neuen Rezepte beinhalteten, die nicht erprobt worden wären. Sichten, Sammeln und Versuche füllten die Zeit zwischen den Auflagen. Laufend wurde das Buch aktualisiert: ein Kapitel über das "Moderne Servieren" wurde angehängt, die "Gesetze der Chemie" und die "Gesundheitslehre" wurden berücksichtigt. 1876, im Jahr der Umstellung auf das metrische System in Österreich, gab es einen Anhang über "Berechnungen nach dem metrischen Maß und Gewicht". Die aufkommende Mode des Teetrinkens und des Fünfuhrtees nach englischer Sitte im Salon fanden Eingang in ein eigenes Kapitel.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Buch als "Die große Prato", "Kochbuch der österreichischen und süddeutschen Küche, mit böhmischen, englischen, französischen, italienischen, serbischen und ungarischen Nationalspeisen" neu herausgegeben und in kurzer Zeit waren 500.000 Bücher im Umlauf. Auch die schon 1931 erschienene Kurzfassung "Die kleine Prato - Kochbuch für den kleinen Haushalt", zusammengestellt von Katharina Pratos engagierter Stieftochter Viktorine Leitmaier, erschien in dieser Zeit neu und erlebte bis 1965 fünf Auflagen.
Die große Prato war teuer. Sie kostete 1957 den stolzen Preis von 259 Schilling. Trotzdem waren ihre Rezepte in den Grazer Haushalten weit verbreitet: Sie wurden auch handschriftlich weitergegeben. Der Zettelkasten des bürgerlichen oder ArbeiterInnenhaushalts war ein Schatz der Hausfrau.
Katharina Prato schuf aber noch mehr Literatur am Haushaltsmarkt: Sie schrieb die wohl erste "Haushaltungskunde" als "Leitfaden für Frauen und Mädchen aller Stände" in der Monarchie. Darin gab sie umfassendes Wissen um die Einrichtung, Erhaltung und Verbesserung des Haushalts einer bürgerlichen Familie wieder, wobei sie die Rolle der Ehefrau als Hausfrau und Haushaltverantwortliche bis ins Detail beschreibt und klar von der männlichen Rolle des außerhäuslichen Erwerbstätigen trennt. Bildung für Frauen erachtete sie als überaus wichtig, solange sie die bürgerlich-konservative Frauenrolle des 19. Jh. bedient. Dies spiegelt auch ihr eigenes wohltätiges Engagement wider: Sie gründete den Verein "Volksküche", der sich in der Nachkriegszeit als "Kleinrentnerküche" in der Wielandgasse wiederfand. Auch war sie viele Jahre "Ökonomin" des Vereins "Frauenheim" in Graz. Sie begründete eine Mädchenarbeitsschule und mehrere Kindergärten.
Die vielen Auszeichnungen, die die "Süddeutsche Küche" bekam, wurden Katharina Prato aber erst nach ihrem Tod gewidmet. Nur eine goldene Medaille anlässlich der Kochkunstausstellung 1897 bekam sie noch zu Lebzeiten. So kam sie stellvertretend für viele Köchinnen zu Ehren, die sonst fast ausschließlich Männern vorbehalten bleiben.
Sie war eine engagierte Frau, die Graz nicht nur in ihrem kulinarischen Erscheinungsbild tatkräftig mitgestaltete: die Prato!
Zitate:
"Man nehme..." diese weit verbreitete Redensart stammt von Katharina Prato!
"...das Kochen mit Ernst zu lernen und mit Liebe zu betreiben..."
(im Vorwort von Katharina Prato, Süddeutsche Küche, Graz 1858)
Ausgewählte Literatur:
Erika Thümmel, Von Kuheutern, Wildschweinsköpfen und Kalbsohren. Die "schriftstellernde Kochkünstlerin" Katharina Prato und ihre "Süddeutsche Küche", in: Carmen Unterholzer, Ilse Wieser (Hg.), Über den Dächern von Graz ist Liesl wahrhaftig. Eine Stadtgeschichte der Grazer Frauen, Wien 1996.
Ausstellung: Installation und Text von Erika Thümmel im Rahmen von "Ur Stadt Kult", Stadtmuseum, Graz 1993.
Text und Recherche: Ilse Wieser
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