Heute gibt es in jeder Stadt und in jedem Bundesland eine Frauenbeauftragte. 1986 war dies eine relativ neue Idee, denn erst Anfang der 80er Jahre gab es die ersten Frauenbeauftragten in Deutschland.
Grete Schurz war 52 Jahre alt und parteilos als sie in die Stadtpolitik gerufen wurde. Der Bürgermeister der Stadt Graz, Alfred Stingl (SPÖ), wollte die Obfrau und Initiatorin des Grazer Frauenhauses, die als durchsetzungskräftig und schlagfertig bekannt war, als Frauenbeauftragte der Stadt Graz ins Rathaus holen.
Es war nicht sofort klar, ob Grete, wie sie liebevoll genannt wird, diesem Ruf folgen würde. Gleichzeitig sollte sie auch für das Bildungsprojekt Modell Steiermark (ÖVP) eine ebensolche Funktion einnehmen. Doch das Angebot des Bürgermeisters parteiunabhängig, weisungsfrei und ungebunden arbeiten zu können, war vielversprechender. Nun fing für sie eine Aufgabe an, die sie 8 Jahre lang in Anspruch nahm, mehr als sie jemals vorhatte.
Sie war die erste Frauenbeauftragte Österreichs und sie war und blieb ein Vorbild. Sie war die kämpferischste und produktivste in ihrer Funktion. Sie schaffte den Spagat zwischen Berufsfeministin und Verwaltungsexpertin und bewahrte sich ihre geistige Unabhängigkeit, denn: ihre Position war weisungsfrei und sie hatte weit gehende Akteneinsicht und nur unter dieser Bedingung nahm sie die Funktion der Frauenbeauftragten an! Diese Freiheiten für eine Frauenbeauftragte waren aber einzigartig in Österreich.
Sie sagt von sich, daß sie keine radikale Feministin ist. Aber zu den notwendigen Eigenschaften einer Frauenbeauftragten zählt Grete Schurz Mut zur Durchsetzung, Kreativität bei Lösungen und Veränderungen und Integrität. (Band 1)
Ihre Ausgangsposition beurteilte sie positiv, aber: "Wenn ich nach diesen zwei Jahren zu wenig erreicht habe, wenn ich draufkomme, daß man nur eine Alibifrau haben wollte, werde ich meinen Vertrag sicher nicht verlängern." (Band 1)
Anders sah die materielle Basis aus: ein Werkvertrag wurde abgeschlossen, der in keiner Wiese der Tätigkeit und ihrem Umfang gerecht wurde. Ein Budget wurde erstellt, das gerade ausreichte, um kleine Unterstützungen zu geben. Der Arbeitsraum ("Besenkammerl") im Rathaus war klein, zugig und recht unangenehm. (Band 1) Hier mußte sie 6 Jahre lang mit ihren Mitarbeiterinnen (der Juristin Trude Pesendorfer und der Psychotherapeutin und Lebensberaterin Ilse Gschwend) arbeiten. Ab 1994 wurde zusätzlich Behindertenberatung und psychotherapeutische Beratung angeboten. (Band 5)
Ihre Vorhaben und Themen waren: Beratung von Frauen in schwierigen Lebenslagen. Die Benachteiligung der Frauen in öffentlichen Bereichen, am Arbeitsplatz, in der Politik und in Ausbildungssituationen. Gleichstellung bei Personal- und Verwaltungsfragen. Widerstand gegen frauendiskriminierende Plakate. Hilfe für Frauen gegen den Übermut der Ämter.
Ihre Sprechstunden waren stets ebenso stark frequentiert wie die ihrer kompetenten Mitarbeiterinnen. Sie setzte bei den Grazer Verkehrsbetrieben Familienermäßigungen durch und dass Kinderwagen gratis befördert werden. Richtlinien zur bevorzugten Gemeindewohnungsvergabe an allein erziehende Mütter wurden von ihr miterarbeitet. Sie gründete - und das war damals einmalig in Österreich - den heute noch bestehenden Frauenrat, der rund 50 Frauengruppen und -organisationen umfaßt. Er tagt zweimonatlich, ist überparteilich und bildet die Grundlage für die informelle Zusammenarbeit der Frauen in stadtpolitischen Belangen. "Mit einer überparteilichen Frauenlobby sind wir stärker!" (Band 2)
Was Grete Schurz aber viel Popularität verschaffte, war ihre ständige Präsenz in den lokalen Medien, ihre eigene journalistische Tätigkeit und ihre gute Zusammenarbeit mit JournalistInnen.
Sie unterstützte 1986 tatkräftig die Aktion der Grazer Gruppe "Freie Frauen", die pornografische Bilder einer Rathausgalerieausstellung abhängten und damit einen kleinen kulturpolitischen Aufstand mit entsprechender Medienaufmerksamkeit provozierten. Sehr wichtig war es ihr, ein geplantes Kommunikationszentrum für autonome Frauengruppen zu unterstützen, da ein solches in Graz immer fehlte. Sie arbeitete an einem Konzept, Medizinerinnen in einem paritätischen Geschlechterverhältnis in die GynäkologInnenausbildung an der Grazer Frauenuniversitätsklinik zu bringen, damit es endlich mehr Frauenärztinnen gibt, was Umfrageergebnisse unter Frauen als sehr wünschenswert feststellten. Auch machte sie sich für die Hausfrauenunfallversicherung stark, die teilweise unter Mithilfe der Landesfrauenbeauftragten Ridi Steibl umgesetzt worden ist. Es wurden, um mehr Sicherheit zu schaffen, hell beleuchtete Tiefgaragenplätze für Frauen reserviert. Kinderbetreuung in der Grazer Innenstadt wurde für zwei Jahre gemeinsam mit der Firma Kastner&Öhler eingerichtet, die die entsprechenden Räumlichkeiten gratis zur Verfügung stellte. Eine Kindergärtnerin wurde über das Arbeitsmarktservice eingestellt und von der Stadt Graz mitfinanziert. Energisch wehrte sie sich gegen pornografische Abbildungen in den Ämtern der Stadt Graz, was einigen Widerstand hervorrief. Erfolgreich setzte sich Grete Schurz sich für ein Wohnhaus Sozialprojekt mit geringen Mietkosten für allein erziehende Mütter ein, das nach langer Vorarbeit mit Landesunterstützung und mit Hilfe der ÖWGES 1990 im Grazer Bezirk Andritz erbaut wurde. (Band 2) Sie engagierte sich für ein Ruhegeld für Pflegemütter, das letztendlich landesweit eingeführt wurde. Die Steiermark war damit zum Vorbild für die anderen Bundesländer geworden. Da das Arbeitsmarktservice für Mütter mit Kinderwägen und für Behinderte nur beschwerlich zugänglich war, machte sie sich erfolgreich für eine Auffahrtsrampe stark, wobei sie kreativ den entsprechenden Plan, der dann auch umgesetzt worden ist, geschaffen hat. Wickeltische im Gebäude des Arbeitsmarktservice und in den öffentlichen Toilettenanlagen der Stadt Graz standen ebenfalls auf ihrem Programm und wurden auch verwirklicht.
Sie gab kostenlose Broschüren heraus, die Themen:
"Grazer Fraueninitiative", eine Dokumentation über 10 Jahre Grazer Frauenhaus (1980/1990)
"Frau und Beruf" (1989)
Wir Grazer Frauen ...fordern...wünschen...kritisieren" (o.D.)
"Pflicht und Gehorsam", in: politicum 42
"Die Medizin braucht neues Denken", in: politicum 49
"Gewalt gegen Frauen", in: politicum 56a
"Bioethik 2000", in: politicum 61
Typische Männerberufe wurden Frauen auf ihre Initiative hin in der Stadt Graz in den frühen 90ern zugänglich gemacht, was erklärtermaßen ein Arbeitsschwerpunkt der Frauenbeauftragten Grete Schurz war:
Polizistinnen, Zöllnerinnen, Grazer Straßenbahnlenkerinnen, Busfahrerinnen, Zugführerinnen bei den Bundesbahnen. Sie engagierte sich für die Einstellung von Frauen als Fluglotsen, Pilotinnen und als Croupiers in den Spielbanken. Sie engagierte sich ebenfalls für eine bessere Absicherung und Bezahlung von Arzthelferinnen und Zahnarztassistentinnen und für deren Berufsbild. Wichtig war ihr, sich für mehr Frauenmacht im ORF einzusetzen und gegen Gewalt in Familien ständig Öffentlichkeitsarbeit zu leisten.
Natürlich war ihr die geringe Würdigung von Frauen im öffentlichen Raum ein Dorn im Auge und entwickelte daher 1993 gemeinsam mit der Grazer Künstlerin Veronika Dreier ("Eva & Co") ein Konzept zur Kunst von und für Frauen im öffentlichen Raum. Es entstanden aus der Zusammenarbeit mit Künstlerinnen vier Denkmäler für Frauen von Künstlerinnen. Darunter Veronika Dreiers Mahnmal an das Thema Gewalt an Frauen in Form der Notrufnummer am Kapistran Piellerplatz (wurde 2001 entfernt!!) und Barbara Baurs zweigeteilte Skulptur für Oktavia Aigner-Rollett. Die feministische Kulturzeitschrift "Eva & Co", eines ihrer "Lieblingsprojekte", unterstützen zu können, war ihr eine besondere Freude. (Band 8)
Diese Frau von großer Energie schaffte auch sehr viel, weil sie sich selbst eine Frauenlobby schaffte und sich in Österreich und später auch international gut vernetzte. (Band 6)
Denn, "Feministische Bündnispolitik ist Interessenspolitik, die den Begriff des Interesses weit faßt. Es geht ... um die Kritik und den Abbau von Herrschaftsverhältnissen." und das ist "hard work" (vgl. Holland-Cunz, S. 76f).
Trotz allem Veranstaltungseifer mit und für Frauen und politischen Zielsetzungen durften jedoch Hilfe und Beratung in den Sprechstunden nicht zu kurz kommen.
Aber prinzipiell kämpfte sie für gesetzliche Maßnahmen, um eine gerechtere Verteilung der Ressourcen für Frauen zu erreichen. "Zur Erinnerung: Frauen leisten drei Viertel aller gesellschaftlicher Arbeit, bekommen dafür 10% des Welteinkommens und besitzen nur 1% des Weltvermögens." (Band 4)
Sie trat in diesem Sinn für pensionserhöhende und pensionsbegründende Anrechnung der Kindererziehungszeiten auf Mütterpensionen gemeinsam mit vielen anderen Frauen ein. Immer wieder machte sie sich auch für die Einführung eines Pensionssplittingmodells nach deutschem Vorbild stark. Doch leider wurde diese Idee, welche die Armut von Frauen im Alter senken würde, bis heute nicht umgesetzt. Wünschenswerter ist für Grete Schurz allerdings ein ausreichendes staatliches Grundeinkommen statt Sozialhilfe und eine eigene Pensionsabsicherung für alle Österreicherinnen. Gemeinsam mit dem Frauenrat ging Grete Schurz mit diesem Anliegen immer wieder an die Öffentlichkeit, aber es gibt bis heute nur leere Verständnisbeteuerungen, aber keine entsprechenden Budgetmaßnahmen.
Neben Erfolgen und guter Zusammenarbeit mit anderen Frauen aber auch verständnisvollen Männern, gab es natürlich auch Konkurrenz und Frustrationen: Ärger über Ungerechtigkeiten, leere Versprechungen, und Hinhaltetaktik im frauenpolitischen Alltag, Ärger über Behinderungen sowie vor allem Kürzungen des ohnehin minimalen Budgets 1991 von 700.000.-ÖS auf 342.000.-ÖS im Folgejahr (Band 3), dreimalige Umsiedelung des Büros, zu wenig Geld für Frauenprojekte.
1994 trat Grete Schurz 60-jährig von ihrer Aufgabe zurück. Weiterhin aber ist sie in den Medien präsent und engagierte sich ein Jahr lang unbezahlt als eine der 4 von Frauenorganisationen gewählten österreichischen Frauen in der Brüsseler Frauenlobby. Zurzeit betreibt sie ein intensives Philosophiestudium an der Universität Graz.
Ihre Nachfolgerin war die Lehrerin Barbara Kaspar. Es folgte Doris Kirschner. Seit 2002 hat Daniela Jauk das Amt inne.