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FÜR OPFER UND ÜBERLEBENDE SEXUALISIERTER GEWALT
Standort des ersten Grazer Frauenhauses, eröffnet am 12.12.1981

Bezug zu Graz: in Graz – noch – einziges autonomes Frauenhaus in der Steiermark

Umfeld: Projekt der neuen Frauenbewegung; Dr. Grete Schurz, Mitbegründerin und Initiatorin des Grazer Frauenhauses; Kontakt zum Frauenzentrum in der Bergmanngasse
26. November – Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

Erstes Frauenhaus, Albert-Schweitzergasse 22 Aufnahmejahr: 1988

Ab 1975 nach der erfolgreichen Kampagne zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs setzte in Österreich der politische Kampf gegen Gewalt gegen Frauen ein.
Eine der Initiatorinnen für ein Frauenhaus in Graz war Grete Schurz. Mit der von ihr entwickelten Frauenrunde in der Urania Graz (Arbeitskreis „Emanzipation konkret“) und den Frauen des autonomen Frauenzentrums in der Bergmanngasse, die sich schon länger mit dem Thema „Gewalt gegen Frauen“ beschäftigten, wurde intensiv am Projekt „Frauenhaus“ gearbeitet.
Die erste Veranstaltung dazu war ein Vortrag am 9.Mai 1979 mit zwei Vertreterinnen des Wiener Frauenhauses, der von etwa 100 Interessierten und zahlreichen Pressevertretern besucht wurde. Das Echo der Öffentlichkeit war sehr groß und Unterstützung kam von den Frauen der SPÖ und ÖVP, sowie Vertreterinnen der Katholischen und Evangelischen Frauenbewegung und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund.

Zur Umsetzung des Projektes wurde der Verein „Grazer Fraueninitiative – Soforthilfe für bedrohte und misshandelte Frauen“ gegründet. Zur ersten konstituierenden Sitzung des Vereins, die im Hörsaal A der Universität stattfand, kam als Festredner Justizminister Christian Broda.
Nach zähen Verhandlungen mit dem damaligen Bürgermeister der Stadt, Alexander Götz, und zahlreichen Drohungen der Vorsitzenden, Grete Schurz mit Frauendemonstrationen und ihrem Rücktritt, konnte am 12.12.1981 das Frauenhaus in den Räumen des Hauses Albert-Schweitzergasse 22 eröffnet werden. („Seit 1833 befindet sich dieses Haus bereits im Besitz der Stadtgemeinde, um die Jahrhundertwende fand es als Blatternspital Verwendung, nach dem Erlöschen der Blattern 1923 wurde es in ein Bürgerheim umgewandelt ...“ Glettler, S. 11).
Eine Woche nach der Eröffnung war das Haus voll, es war Platz für 30 Personen (Frauen und Kinder). Vor allem Hinweise in den Medien (Veröffentlichung der Telefonnummer), Berichte in Zeitungen und in den späteren Jahren „Mundpropaganda“ sowie Zuweisungen durch Sozialämter und andere Einrichtungen waren ausschlaggebend für das Bekanntwerden des Frauenhauses. (Vgl. Stadler 1994, S. 74f)

Eine wesentliche Prämisse des Frauenhauses war der Gedanke der Autonomie. Autonomie wurde 1972 beim Bundesfrauenkongreß in Frankfurt folgendermaßen definiert: „...Frauen müssen sich autonom organisieren, um sich als „Selbständigen Machtfaktor zu etablieren und männliche Autoritätsstrukturen und Herrschhaftsmechanismen abzubauen.“ (zit. nach Glettler, S. 12)
Im Falle des Grazer Frauenhauses war der Problembereich Autonomie versus Finanzierung, d.h., dass eher auf Subventionen aus den Bezirken verzichtet wurde, als Namen und Daten von Bewohnerinnen aus diesen Bezirken bekanntzugeben, und damit dem Prinzip der Anonymität zu widersprechen.

Neben den inhaltlichen Grundsätzen der Offenheit, des Schutzes nach außen und der Selbstorganisation des Frauenhauses ist von Beginn an die parteiunabhängige, überkonfessionelle Position des Vereins von großer Bedeutung. (Vgl. 20 Jahre Frauenhaus, S. 3)

Im Jahr 1985 trat Grete Schurz als Obfrau des Vereins zurück und Irmgard Schwentner übernahm ihre Aufgaben. Am Siegmundstadl wurden 6 Übergangswohnungen für ehemalige Bewohnerinnen des Frauenhauses errichtet. (1992 kamen noch zwei Wohnungen in der Ägidygasse und in der Albert-Schweitzergasse dazu).

1996 wurde Ingrid Enge Vereinsvorsitzende. Und im Jahr darauf wird das neue Haus bezogen, in dem Platz für 45 Personen (bei Spitzenzeiten stehen 56 Betten zur Verfügung) ist. Im selben Gebäude befinden sich 10 neue Übergangswohnungen. Leider müssen auch Frauen auf Wartelisten gesetzt werden.

In den ersten 20 Jahren wurden rund 14000 Frauen betreut (Aufnahme im Frauenhaus, telefonische oder ambulante Beratung). Laut einer Empfehlung der WHO sollen 120 Plätze für die gesamte Steiermark in Frauenhäusern zur Verfügung stehen, die Errichtung eines zusätzlichen Frauenhauses in der Obersteiermark wird vom Frauenhaus Graz sehr unterstützt. Das Frauenhaus Graz hat dem Land Steiermark angeboten, die Trägerschaft für das geplante neue Projekt zu übernehmen. Und die würde genau wie in Graz folgenden Grundsätzen folgen:

Grundsätze autonomer Frauenhäuser:
Unbürokratische Soforthilfe – Anonymität – Autonomie – Offenheit – Selbstverwaltung – Hilfe zur Selbsthilfe – Frauen helfen Frauen – Parteilichkeit für Frauen und Kinder – Freiwilligkeit – Feministischer Ansatz Noch zwei Zahlen zur Mitarbeiterinnenstatistik: Im Jahr 2001 gibt es insgesamt 27 Mitarbeiterinnen (Vergleich 1981: 7 Mitarbeiterinnen)


Zitat:
Der Gewalttätigkeit der Männer wird häufig Rechtfertigung zugestanden, wenn die Frauen ihnen zum Beispiel „untreu“ waren, sie „betrogen“, die Kinder oder den Haushalt vernachlässigen. ... Ein Indiz für diese Verfügungsgewalt ist die Tatsache, dass Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1993 ein strafrechtlicher Tatbestand ist.
Barbara Gastgeber-Possert, Frauenhaus Graz. Dipl.Arb. Graz 1996, S. 34.

Neben dem Bedürfnis nach einer „vollständigen“ Familie erwähnen viele Frauen das Gefühl der Sicherheit, das sie an gewalttätigen Beziehungen festhalten ließ. Obwohl Sicherheit in Anbetracht der Gewalt, die den Frauen widerfuhr und auch im Hinblick darauf, dass über 80% der Gewalttaten im Familienkreis stattfinden, paradox erscheint ...
(Gasteiger-Possert, S.43)

„Weltweit ist häusliche Gewalt eine der Hauptgründe für Verletzungen und Tod von Frauen. Von Regierungen wird diese Tatsache als „Privatangelegenheit“ ignoriert oder sogar gebilligt. (Fischer Frauen Atlas, Frankfurt/M. 1998, S. 26)

Ausgewählte Literatur:
Barbara Gastgeber-Possert, Frauenhaus Graz. Dipl.Arb., Graz 1996.

Edeltraud Glettler, Die Geschichte des Grazer Frauenhauses. Theorie über und Erfahrung mit Gewalt gegen Frauen. Kummer Institut Schriften 4/90.Graz 1990.

Martha Stadler, Feministische Theorie und Praxis der Sozialarbeit. Zehn Jahre Grazer Frauenhaus im Urteil betroffener Frauen. Graz 1992.

Martha Stadler, Frauenhaus: Schicksal als Chance? Eine Studie zur Entstehung von Gewaltbeziehungen und der Rolle von Frauenhäusern bei ihrer Überwindung. Graz 1994.

Grazer Fraueninitiative, Dokumentation 1980 – 1990. Hg. von Grete Schurz. Graz 1990.

Jahresbericht des Frauenhauses Graz 1999. Graz 2000.

Jahresbericht des Grazer Frauenhauses 2000. Graz 2001.

20 Jahre Frauenhaus Graz (Informationsmappe) Graz 2001.


Text und Recherche: Brigitte Dorfer
Dank an: Angelika Ratswohl für die Gespräche.



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