Umfeld: Die Kapelle ist eingebettet in das Ausbildungszentrum für soziale Berufe der Caritas. Sie dient einerseits dazu die Studierenden zu einem interaktiven Prozess einzuladen und mit den Prozessen von Marginalisierung vertraut zu machen, was in einer Ausbildung für soziale Berufe von besonderer Bedeutung ist, da Sozialarbeit immer auch Randgruppenarbeit ist.
Weiters werden Gruppen von außen eingeladen, die Kapelle zu nutzen. Einerseits kommen viele Schulklassen, andererseits feiern Frauengruppen in diesen Räumen. So hat am 8.März 2002 im Rahmen des Internationalen Frauentages ein Politisches Nachtgebet in der Kapelle stattgefunden Damit wird sie auch zu einem politischen Ort.
Initiatorin der Kapelle: Elisabeth Gierlinger-Czerny.
Es handelt sich um einen sakralen Raum, der konzeptionell und künstlerisch von einer Frau gestaltet worden ist. Das hat in der Tradition der Schaffung von Kirchen, Kapellen und sakralen Räumen eine besondere Bedeutung, da es in diesem Bereich für Frauen besonders schwer ist mitgestalten zu können, inbesondere in der Katholischen Kirche, wo Frauen ja bis heute noch keinen Zutritt zum Amt haben. Inhaltlich ist die Kapelle der Maria von Magdala gewidmet und erinnert an jene Frau in der christlichen Tradition, die als erste Zeugin der Auferstehung auch in der frühen Kirche den Titel einer apostola apostolorum (Apostolin der Apostel) zugesprochen bekam. Im Laufe der Kirchengeschichte wurde dieser Titel jedoch gänzlich verdrängt und in den Bildern und Schriften nicht mehr tradiert. Übrig blieb die Erinnerung an eine Frau, die Jesus von ihren Sünden befreit hatte, wobei Sünde bei Frauen immer sexuelle Verfehlung bedeutete, und dies hieß wiederum, sich gegen die patriarchale Ordnung zu verstoßen. Alle von Maria von Magdala ab dem 12. Jahrhundert dargestellten Bilder zeigen eine sinnliche, schöne Frau, die entweder als Büßerin in Zurückgezogenheit lebt oder im Bild noch stark an ihrer Vergangenheit als Sünderin erinnert. Keine Spuren allerdings führen zur Apostolin. Die Kapelle nun erinnert an die frühe Geschichte dieser Gestalt und rezipiert ihren Ausschluss aus dem Amt gleich mit, in dem dieser Prozess in der Freskenmalerei an den Kapellenwänden noch einmal nachvollzogen werden kann.
Wir erleben eine Maria von Magdala, die uns auch hier in der Nische, aber ganz nahe bei dem auferstehenden Jesus stehend begegnet, während ihr gegenüber eine ganze Wand Petrus gewidmet ist. So ist ja nach dem traditionellen Verständnis unsere Kirche Petrus der Begründer, der das Amt verkörpert und für die katholische Kirche auch das Argument für den Ausschluss der Frauen aus dem Amt liefert.
Eine weitere Besonderheit dieser Kapelle ist die Interaktivität. Über die Fresken sind bewegliche Glaselemente gelegt, die mit Texten aus der Bibel beschrieben sind und die jede Besucherin und jeder Besucher selbst immer wieder bewegen kann. Dabei erfährt sich der einzelne Mensch also selbst aktiv und auch dafür verantwortlich für das, was in das Blickfeld rückt und für das, was verdeckt wird. Dort wo etwas aufgedeckt wird, wird auf der anderen Seite etwas zugedeckt. Hier wird daran erinnert, dass Geschichte auch immer ein Prozess des Aufdeckens und des Zudeckens ist. So wie im historischen Prozess immer die herrschende Ordnung darüber wacht, was erzählt werden darf und was verschwiegen wird, wird in der Kapelle das Element des Aufdeckens und des Verdeckens als bewusstes Element eingesetzt und somit zum Stilmittel selbst.
Zitat: „Die Konstruktion des Weiblichen als kulturelles Konstrukt muss daher notwendigerweise aufgezeigt beziehungsweise aufgedeckt werden, um so die Frauengestalten in der Geschichte, die scheinbar festgelegt sind, zum Leben zu erwecken.“ (Elisabeth Gierlinger-Czerny, Judits Tat. Die Aufkündigung des Geschlechtervertrages. Wien, S. 22.)
Ausgewählte Literatur:
Irmtraud Fischer (Hrg),
Minna Antova. Revolte im Ornament – Bilder zu Judit. Wien 1999.
Elisabeth Gierlinger-Czerny,
Judits Tat. Die Aufkündigung des Geschlechtervertrages. Wien 2000.
In Vorbereitung: Elisabeth
Gierlinger-Czerny, Kapelle der Maria von Magdala von Minna Antova.
Text und Recherche: Elisabeth Gierlinger-Czerny
Bearbeitung: Brigitte Dorfer
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