"Wir wollen ein Fraueninformationszentrum eröffnen und Informationen ohne (vorerst) Ideologie weitergeben ... wir wollen aufzeigen, warum Informationen schwer zugänglich sind, aber vor allem wollen wir diese Informationen liefern! ... Aber wir beabsichtigen nicht, die Frauen, die zu uns kommen, politisch in irgendeiner Weise zu indoktrinieren." (Wieser, S. 260)
Zur Eröffnung des Frauenzentrums im Juni 1977 gab es ein Frauenfest, zu dem Männer nicht geladen waren. Darauf war in einer Grazer Zeitung zu lesen, dass dies ein "Frauentempel" sei: "Im ersten Frauenzentrum probt man den Aufstand gegen die Vorherrschaft der Männer!" (Wieser, S. 265) Erstmals wurden Männer entschieden ausgeschlossen und dies wurde in dieser Zeit heftig kommentiert.
Die Frauen, die das Frauenzentrum gründeten, kamen meist aus verschiedenen linken Lagern studentischer Kreise, z.B. dem Verband Sozialistischer Studenten (VSSTÖ), der Liste unabhängiger Mediziner, dem Roten Frauen Komitee, aber auch aus dem so genannten "Kirchenkampfkomitee" (Komitee zur Trennung von Staat und Kirche). Frauen wurden dort nicht als politische Kolleginnen ernst genommen und verspürten ein Unbehagen, das schließlich darin mündete, gemeinsam aktiv zu werden.
Die Gründerinnen und die Frauen in ihrem Umfeld waren unter anderen: Agnes Kurtz, Ilse Reinprecht, Riki Winter, Christa Krassnig, Nancy Lyon, Claudia Hannemann, Helga Lazar, Andrea Wolfmayr, Gabi Bauer, Sissi Tax.
Sie wollten die "Innenschau" der Selbsterfahrungsgruppen (gemeint war die Selbsterfahrungsgruppe um Gerlinde Schilcher, bekannt geworden mit ihrem Buch "Ich bin eine Hexe" mit dem Pseudonym Judith Jannberg) hinter sich lassen und mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen nach außen gehen. 15 Frauen waren Vereinsmitglieder. Ihr Vereinslokal bestand in einem Raum, der sich in der Bergmanngasse 6, mit Eingang in der Hilgergasse 1 als Teil des Vereinslokals des VSSTÖ befand. Mittwoch und Freitagabend war geöffnet.
Es wurde diskutiert, gestritten, Informationsmaterial ausgearbeitet, die brisante Frauenliteratur der 60er und 70er Jahre gelesen und kommentiert. An den Mittwoch Abende wurde ab 1978 zu Referaten eingeladen, z.B. "Frauen - das verrückte Geschlecht?", "Lohn für Hausarbeit?", "Frauenmedizin", "Abtreibung" und "Frauenarbeit". Es wurde außerdem zur rechtlichen Situation von Frauen, zur Frauenbewegung gearbeitet und diskutiert. Im Rahmen des Themas "Medizin" wurde Aufklärung über Verhütungsmittel, Schwangerschaft, sanfte Geburt und Hebammen angeboten, aber auch praktische Anleitungen zur Selbstuntersuchung.
Im Dezember 1977 fand ein "Frauenseminar" für die Grazer Frauenöffentlichkeit statt. 1980 fanden die "Steirischen Frauentage" statt. Einer der Arbeitskreise nannte sich "Frauenliebe". Hier wurden erstmals in Graz öffentlich die Themen Lesbische Liebe, Bi- und Heterosexualität heftig diskutiert. Wie bei allen feministischen Veranstaltungen gab es auch bei diesen ein Frauenfest, das eine wichtige Rolle in der Neuen Frauenbewegung spielt. Die Freude der Frauen an den Festen, an der Tatsache, unter sich zu sein und ihren politischen Aufbruch zu feiern, wird in der guten Erinnerung der Beteiligten daran deutlich.
1977 gründeten die FZ-Frauen das Frauenreferat der Universität Graz. Eine Literaturgruppe wurde am Germanistik Institut der "Hochburg des Patriarchats" gegründet. Eine Kabarettgruppe wurde aktiv. 1977 wurde vom ORF der Film "Männer unerwünscht" gesendet, der eine Sequenz über Selbstuntersuchung enthielt und damit die überwiegend konservative Bevölkerung schockierte. Eine Schwangerschaftgruppe wurde gegründet, dann eine Stillgruppe, ein Kindergarten für Studentinnen, den es seither gibt.
Die Zeitschrift des Frauenzentrum wurde "Zykla" genannt, "Die unregelmäßige Zeitschrift für die Frau". Die erste Nummer erschien 1977 zum Thema "Sexualität, Frau&Kirche", "Film", die dritte zum Thema "Empfängnisverhütung, Fristenlösung, Sexualität". Diese kleinformatige Zeitschrift mit der Faust im Frauenzeichen brachte erstmals frauenspezifische Themen in radikaler Deutlichkeit an die Öffentlichkeit. Auch für die Frauen des Zentrums selbst war die Umwälzung radikal: "Ich hatte oft das Gefühl, auf dem Kopf zu stehen." (Wieser, S. 269)
Das Frauenzentrum war in den vier Jahren seiner Existenz ein erster Ort großer Wirkungskraft von und für Frauen.
Als die Frauen mit dem Studium fertig wurden, löste sich auch das Zentrum auf. 1981 wurde der Verein aufgelöst und die Frauen widmeten sich ihren Studienabschlüssen und dem beruflichen Einstieg. Sie wurden in ihren Berufen und Berufsvertretungen aktiv: sie wurden Ärztinnen und Juristinnen, in der Politik: sie wurden streitbare Politikerinnen, frauenbewegte kritische Journalistinnen, Wissenschafterinnen, Ärztinnen und aktive Beamtinnen.
Zitat: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Männer uns Frauen immer wieder vorschreiben wollen, wie, wo und wann wir uns zu emanzipieren zu haben". (Wieser, S. 266)
Dokumente und Quellenangabe: Ordner "1. Frauenzentrum" im "Frauendokumentations-Forschungs-Bildungszentrum" Graz
Ausgewählte Literatur:
Ilse Wieser, Empörung lag in der Luft. Das erste Grazer Frauenzentrum in der Bergmanngasse 6 (1977-1981), in: Carmen Unterholzer, Ilse Wieser (Hg.), Über den Dächern ist Liesl wahrhaftig. Eine Stadtgeschichte der Grazer Frauen, Wien 1996.
Brigitte Geiger, Hanna Hacker, Donauwalzer Damenwahl. Frauenbewegte Zusammenhänge in Österreich, Wien 1989
Eva Geber, Sonja Rotter, Marietta Schneider (Hg.), Die Frauen Wiens. Ein Stadtbuch für Fanny, Frances und Francesca, Wien 1992
Text und Recherche: Ilse Wieser
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