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ERSTER INTERNATIONALER FRAUENTAG IN GRAZ

Am 19.März 1911 wurde die erste Versammlung zum Internationalen Frauentag in Graz
in den Räumen des Restaurants Annenhof (heute UCI Annenhofkino) abgehalten.

Umfeld: Sozialdemokratische ArbeiterInnenbewegung (Marie Koch),
Neue Frauenbewegung, Eva & Co
Demonstration zum Internationalen Frauentag in Graz - 1984 Demonstration zum Internationalen Frauentag in Graz - 1984 Demonstration zum Internationalen Frauentag in Graz - 1986 Demonstration zum Internationalen Frauentag in Graz - 1987 Demonstration zum Internationalen Frauentag in Graz - 1990
Demonstration zum Internationalen Frauentag in Graz - 1998 Demonstration zum Internationalen Frauentag in Graz - 2000

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts haben Arbeiterinnen (vor allem aus der Textilindustrie) zum Mittel des Streiks und der Demonstration gegriffen, um auf ihre schlechten Arbeitsbedingungen hinzuweisen. (1858 demonstrierten New Yorker Arbeiterinnen gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen und für gleiche Löhne; 1908/09 gab es einen zweimonatigen(!) Streik von 20.000 Hemdennäherinnen in Manhattan, NY; 1912 Streik der Textilarbeiterinnen in Lawrence – ihr Leitmotiv war: „We need bread and roses, too“).
Diese Streiks und Demonstrationen beeindruckten auch die europäischen Sozialdemokratinnen.
Der Internationale Frauentag geht auf eine Initiative von 98 Frauen aus 17 Ländern zurück, die im Jahr 1910 auf der II. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz über die Durchführung eines jährlichen internationalen Frauentages abstimmten. Der Vorschlag wurde unter anderem von Clara Zetkin und Käthe Duncker eingebracht. Die Delegierten nahmen den Antrag einstimmig an und formulierten als zentrales Anliegen das Frauenwahlrecht.
Am Sonntag, 19.März 1911 wurde das erste Mal der Internationale Frauentag in Deutschland, Schweiz, Dänemark, den USA und Österreich durchgeführt. Bis 1914 kamen Frankreich, Holland, Schweden, Russland und Böhmen hinzu. (zit. nach: Bauer, S. 10)
Begangen wurden die ersten Frauentage mit Veranstaltungen, Demonstrationen waren sehr selten. Es wurden Plakate geklebt und Flugblätter verteilt.

Die erste Frauenversammlung in Graz zum Internationalen Frauentag fand am 19.3.1911 um 13 Uhr 30 im Restaurant Annenhof (heute Annenhofkino) in der Annenstraße 29 statt. Es war ein Kampftag der sozialdemokratischen Frauen. Als Rednerin trat Genossin Marie Koch auf. Für die Frauenorganisationen aus Eggenberg und Andritz wurden eigene Treffpunkte vereinbart, sodass sie in Gruppe zum Annenhof kommen konnten – für die Eggenberger Frauen war es der Konsumverein und für die Andritzer Frauen war es Holzschusters Gasthaus.
Insgesamt fanden in der Steiermark 28 Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag statt. Die Forderungen waren die Gleichberechtigung der Frauen und das Wahlrecht in allen Gesetzgebungskörpern.
Im "Arbeiterwille" wird ein ausführlicher Leitartikel mit sehr pathetischen Worten geschrieben: „Endlich brausen die Märzstürme durch die Seelen und die Geister der Frauen, endlich beginnt es nicht nur zu tagen, das neue Morgenrot führt zur lebenskräftigen Tat. Zum erstenmal nehmen die Frauen eine große Revolution selbst in die Hände ..." (Arbeiterwille, 19.3.1911, S. 1)

Die Sozialdemokraten betonten stets ihre Unterstützung für die Anliegen der Frauen, so erwähnten sie auch ihre Initiative zur Änderung des politischen Vereinsrechts der Frauen und die Verhinderung des Nachtarbeitsverbots. Aber eines war klar: „Die Frauen allein können wohl politische Rechte erringen, sie können aber nicht eine neue Gesellschaft erschaffen, wenn nicht die tatkräftige Hilfe des Proletariats die Wege ebnen hilft.“ (Arbeiterwille, 19.3.1911, S. 2)

Die Veranstaltung im Annenhof in Graz war sehr gut besucht, um 14 Uhr war der Saal schon beängstigend voll und um Viertel drei Uhr mussten alle Männer den Saal verlassen, damit die nachkommenden Frauen einen Platz fanden. Genossin Schefzik eröffnete die erste Veranstaltung zum Internationalen Frauentag und bevor Marie Koch mit ihrem Referat begann, sang der Arbeiterchor noch das Lied: „Das Erwachen der Geister“. Während der Rede Marie Kochs, „fielen so scharfe, leidenschaftliche Zwischenrufe, dass der Regierungsvertreter zweimal mit der Auflösung der Versammlung drohte“. (Arbeiterwille, 20.3.1911, S. 1)
Das passierte jedoch nicht, die Versammlung wurde im Annenhof bis etwa 17 Uhr abgehalten. Anschließend zogen die Frauen zum Hauptplatz, wo Marie Koch am Sockel des Erzherzog-Johann Denkmals noch einmal die Forderung nach dem Frauenwahlrecht verkündete.
Bis 1921 – als der Internationalen Frauentag auf den 8. März festgelegt wurde – wurde der Tag immer an einem Sonntag gefeiert, damit möglichst viele Arbeiterinnen daran teilnehmen konnten. Oft gab es jedoch Probleme, „da die Sorge um den Haushalt und die Kinder es vielen unmöglich machte“ zu den Veranstaltungen zu kommen. (Arbeiterwille, 20.3.1911, S. 1).
In Deutschland wurde der Internationale Frauentag in einzelnen Ländern zeitweilig verboten (u.a. 1921, 1930 – Preußen).
„In Österreich dagegen war der Frauentag selbstverständlich der Tag aller fortschrittlichen Frauen, gleich welcher Gewerkschaft oder Partei sie angehörten. Im 2. Weltkrieg für die Frauen im Widerstand, im KZ, in der Emigration war der Frauentag eine Erinnerung an eine bessere Vergangenheit und Hoffnung auf die Zukunft.“ (DOKU A1-St1 0390/11 (Kleines Weiberlexikon, Ausschnitt) und DOKU A1-St1 0200/112 ohne Namen der Autorin)
In den 50iger Jahren wurde die Tradition des Frauentages fortgesetzt – Themen waren unter anderem der Kampf gegen die Wiederaufrüstung, internationale Zusammenarbeit und das Gleichberechtigungsgesetz.
In den 60iger Jahren wurde der Frauentag in der Öffentlichkeit ein fast vergessener Tag. Erst in den 70iger Jahren wurde der Internationale Frauentag wieder zum Kampftag in Österreich (Themen: § 144, Frauenfriedensbewegung u.a.)

Auch in Graz wird der alljährliche Frauentag gefeiert, der in den letzten 20 Jahren in unterschiedlichen Aktionsformen und zu verschiedenen Themen durchgeführt wurde.

Eine Auswahl der Forderungen zwischen 1984 und 2000.
1984: Forderung nach Frieden; höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für Frauen; Forderung nach einer geschlechtsneutralen Stellenausschreibung.
1985 (Ende der UNO Frauendekade): Forderung nach internationaler Solidarität; Forderung nach Ganztagsschulen und –kindergärten.
1986 (teilgenommen haben etwa 200 Frauen trotz Schlechtwetter): Forderung nach der Einführung der 35 Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich; nach internationaler Solidarität; Recht auf Frieden und Selbstbestimmung; Recht auf Arbeit. Es gab eine Solidaritätsveranstaltung für Frauen in Südafrika.
1987: gegen Diskriminierung von Frauen in Beruf und Ausbildung; für den Ausbau von sozialen Einrichtungen; für die Selbstbestimmung über den eigenen Körper; gegen Diskriminierung von Lesben; für Friedenssicherung.
1988: für das Recht auf Arbeit und soziale Sicherheit; für das Recht auf Selbstbestimmung, auf Frieden und Abrüstung; Videovorführung von Elisabeth Spiras „Arbeite Frau – aber fordere nicht“.
1989 (Eva & Co präsentieren das Heft zum Thema „Macht“): Friede, Arbeit, Recht auf Selbstbestimmung; gegen Über- und Untergriffe am Arbeitsplatz; gegen EG Beitritt – mit dem Hinweis auf die finanziell schlechte Situation der Frauen in der EG; Ausweitung der feministischen Forschung an den Unis; Stop der Privatisierung in der Verstaatlichten, im Sozial- und Gesundheitswesen; für unschädliche Verhütungsmittel und Fristenlösung auf Krankenschein.
1990: „80 Jahre und kein bisschen leise“ (Kundgebung zum 80. Frauentag: Präsentation verschiedener Epochen der Frauenbewegung); Recht auf Arbeit (u.a. Verbot aller Arbeitsverhältnisse ohne soziale Absicherung); Recht auf Selbstbestimmung (u.a. Freie Wahl von Lebensformen und Sexualität).
1992: „Hürdenlauf durchs Herrenland“; gegen EG Beitritt (22 Mio Frauen in der EG leben unter der Armutsgrenze); „Stein des Anstoßes“ – Denkmal-Verhüllung in der Ehrengalerie im Burggarten. Gedenken an bedeutende Frauen.
1993: gegen den Krieg in Jugoslawien; Alice Schwarzer war zu Gast in Graz.
1995: Kein Sparen auf dem Rücken der Frauen; gegen Sozialabbau.
1996: „Gesamtkunstwerk Frauenmuster“; Aufbau einer sozialen Absicherung unabhängig von Ehemann und Erwerbsarbeit; Schaffung von Bildungskarenz für Frauen; Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen in Quantität und Qualität;
1997: „Alles was Recht ist!“ Aktionen und Diskussionen zum Frauenvolksbegehren.
1998: für die Erfüllung der Forderungen des Frauenvolksbegehrens; für Frieden und Neutralität; gegen Sozialabbau; Transparent am Zeughaus „Die Waffen blieben, vergessen ist das Leid der Opfer. Der Krieg wird nicht erklärt, sondern fortgesetzt. Das Unerhörte ist alltäglich geworden.“ (Ingeborg Bachmann)
1999: „Bescheidenheit ist keine Zier“; Gedenktafel wird im Zeughaus angebracht (Text siehe 1998); „Der Weg zum Reichtum“ (Spiel) – gegen Sozialabbau
2000: „Frauenpolitik unter neuen Vorzeichen“ Rahmenpolitik für eine Politik im Sinne von Frauen; Poltische und gesetzliche Grundlagen für eine gerechte Verteilung von Arbeit und Einkommen; Politik im Sinne von Humanität und Friedenssicherung; Antidiskriminierungsgesetz


Zitat:
Wenn der neue Märztag ein Tag der Frauen ist, ein Tag an dem sie Rechte fordern und in die Arena des politischen Kampfes treten, so ist es nur die notwendige und letzte Folge dieser wirtschaftlichen Revolution (Arbeiterwille, 19.3.1911, S. 1)

Ausgewählte Literatur:
Kattrin Bauer, Der 8.März – Zur Geschichte des Internationalen Frauentags in Deutschland, in: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, Heft 36. Hg. von Sozialwissenschaftliche Forschung & Praxis für Frauen e.V. Köln 1994.

Graue Literatur aus dem DOKU Graz, Sammlung von Flugblättern, Protokollen u.a. von 1984 ff.

Arbeiterwille

Text und Recherche: Brigitte Dorfer

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