Inge Morath wurde am 27.Mai
1923 in Graz geboren. Nur wenige Wochen nach ihrer Geburt nahmen ihre Eltern
(Edgar und Mathilde Mörath – den typisch deutschen Umlaut hat Inge
Morath im Laufe ihrer internationale Karriere `verloren`), die beide als
Wissenschafter arbeiteten, sie mit nach Deutschland. In Graz machte sie
fortan nur mehr Besuche oder verbrachte hier ihre Ferien.
Sie kam aber immer wieder gerne zurück. Prägend waren vor allem ihre Großeltern
– die Familie mütterlicherseits hat ihre Wurzeln in der ehemaligen
Untersteiermark (Slowenien), daher auch die starke Verbindung Inge Moraths
in dieses Region (vgl. dazu: Regina Strassegger, Inge Morath – Grenz.Räume.)
Einer der Großväter arbeitete mit einer Großformatkamera,
der andere Großvater hatte einen Stammplatz in der Oper und weckte
ihr musisches Interesse.
Einen großen Einfluss in Inge Moraths
Jugend hatte vor allem ihre Großmutter Alexandra Mörath, die
durch ihr autonomes und an spirituellen und künstlerischen Dingen
interessiertes Leben faszinierte. Alexandra Mörath bewohnte eine Wohnung
im ersten Stock des Hauses Jakominiplatz 16; einige Jahre lang hatte sie
eine Drogerie in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung, in der sie unter
anderem den von ihr entwickelten Tabakersatz aus Kräutern „Mörathon“
vertrieb. Hergestellt wurde dieses Mittel und das ebenfalls in ihrer Drogerie
vertriebene Waschmittel „Gertrude“ in der eigenen chemischen Fabrik, die
sich in der Prankergasse in Graz befand.
Inge Morath lebte mit ihrer
Familie (inzwischen bekam sie noch einen Bruder) in München, bei Berlin
und dann in Frankreich. In Viches besuchte sie die erste Klasse und war
gezwungen in kürzester Zeit Französisch zu lernen. Sie entdeckte
und entwickelte ihr Talent für Sprachen. Nach kurzer Zeit in Frankreich
zog die Familie nach Deutschland. Die häufigen Wohnungswechsel waren
berufsbedingt durch die Eltern. Die Mutter arbeitete als Chemikerin und
der Vater war Spezialist für Holzverarbeitung. In Berlin absolvierte
Inge Morath die Matura und nach einem Jahr Arbeitsdienst, konnte sie zu
studieren beginnen. In den Kriegsjahren begann sie ein Sprachenstudium
und verbrachte einen mehrmonatigen Studienaufenthalt in Bukarest (Rumänien).
Nach dem Staatsexamen wurde Inge Morath in einen kriegswichtigen Betrieb
arbeitsverpflichtet, in dem auch zahlreiche Frauen, Kriegsgefangene aus
der Ukraine arbeiteten. Während einer der zahlreichen Bombenangriffe
flüchtete Inge Morath und folgte ihren Eltern nach Salzburg. Dort
arbeitete sie für die amerikanische Besatzung.
1946 übersiedelte Inge
Morath nach Wien, wo sie als Redakteurin zu arbeiten begann und verstärkt
literarische Texte und Hörspiele für den neugegründeten
Radiosender „Rot-Weiß-Rot“ schrieb. Im Laufe der Zeit wurde Inge
Morath Teil der Wiener Kultur und Intellektuellenszene und schloss Freundschaften
unter anderem mit Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger.
Sie schrieb Artikel für
verschiedene Magazine, zum Beispiel für die Wiener Illustrierte und
Heute (München). Für Heute, eine einflussreiche Illustrierte
der amerikanischen Militärregierung, arbeitete Inge Morath als „picture
editor“ in Wien. Zusammen mit Ernst Haas, dessen sozial engagierte Fotos
ihr Interesse weckten, arbeitete sie im „Photograph – Reporter – Team“.
„Über den Herausgeber von Heute, Warren Trabant, gelangten einige
unserer Storys zu Robert Capa, der uns zum noch jungen Magnum-Team nach
Paris rief. Wir stiegen mit viel Proviant und wenig Geld versehen in einen
Zug von Wien nach Paris und blieben in Paris.“ (Inge Morath, Das Leben
einer Photographin, Wien 1999. S. 13)
In Paris war sie Assistentin
bei Henri Cartier-Bresson, für den sie Kontaktauszüge auswertete
und sie begleitete verschiedene Fotografen auf Reisen.
1951 heiratete sie den Journalisten
Lionel Birch. Sie zog zu ihm nach London und beendete ihre Arbeit bei Magnum.
Auf einer Venedigreise mit Birch entdeckte Morath ihr Talent und ihre Liebe
für die Fotografie. Sie begann mit der von ihrer Mutter geschenkten
Kamera erste Fotos zu machen. Zurück in London arbeitete sie als Praktikantin
beim Fotografen Simon Guttmann.
In dieser Zeit schickte
Inge Morath unter dem Pseudonym ihres umgekehrten Namens Egni Tarom ihre
Fotos an diverse Zeitschriften. „Manchmal verkaufte ich was, manchmal erhielt
ich die Fotos zurück mit guten Ratschlägen wie: „Sehr geehrter
Herr Tarom, Sie haben ein gutes Auge, aber ihre Technik lässt zu wünschen
übrig.“ (Inge Morath, Das Leben einer Photographin, Wien 1999. S. 14)
1953 wird sie als Fotografin
bei Magnum aufgenommen. Für Magnum machte sie Standfotos von John
Houstons Film „Moulin Rouge“ und in Folge auch einige Fotoreportagen in
anderen Ländern.
Ihre Reisen gingen in den
Iran, Irak, nach Syrien und Jordanien (1956), entlang der Donau (1957 und
1958), nach Mexiko, Tunesien, Österreich, Tschechoslowakei, Italien,
Deutschland und in die USA. Im Jahr 1956 veröffentlichte Inge Morath
ihr erstes Buch „Guerre à la tristesse“. Gleichzeitig wurde ihre
erste Ausstellung in der Galerie Würthle in Wien eröffnet.
In den 60iger Jahren kam
Inge Morath in die Vereinigten Staaten, New York wurde häufiger Ausgangspunkt
für ihre Reisen. Die ökonomischen Schwierigkeiten der großen
Zeitschriften wurden immer größer, sodass Inge Morath, um ihre
ökonomische Existenz abzusichern, auch für Werbeagenturen fotografierte.
Ende der 50iger Jahre arbeitete
sie häufig für Filmproduktionen. Bei Filmaufnahmen zu „Misfits“
(die weibliche Hauptrolle in diesem Film hatte Marilyn Monroe) im Jahre
1960 lernte Inge Morath den Dramatiker Arthur Miller kennen. 1962 heirateten
sie und im selben Jahr wurde die Tochter Rebecca geboren. Die Familie lebte
in Roxbury, Connecticut, in einem kleinen Ort an der Ostküste – nur
etwa 2 Autostunden von New York entfernt.
In den folgenden Jahren
bereiste sie – zusammen mit ihrem Mann – Russland und China. Bevor sie
auf Reisen ging, studierte Inge Morath die Sprachen dieser Länder.
Seit den 70iger und 80iger
Jahren sind der Arbeit Inge Moraths zahlreiche Ausstellungen gewidmet –
u.a. in den Vereinigten Staaten, Japan, Tokio, Schweiz, Madrid, Berlin.
In einem Gespräch mit
Inge Morath im Jänner 2001, in dem wir unter anderem auch nach einem
passenden Ort für sie in Graz suchten, entschied sie sich für
die Wohnung der Großmutter Alexandra Mörath am Jakominiplatz.
Inge Morath erzählte von der Faszination, die ihre Großmutter
auf sie ausübte, von ihrem großen Verständnis und Interesse
für Kunst und Kultur, von ihren Kostümfesten und von ihrem offenen
Haus, in dem viele Freunde verkehrten. Inge Morath wollte mit diesem Ort
auch an ihre Großmutter erinnern und auch sie damit würdigen.
Zitat: „Ich hatte
nach dem Krieg oft unter der Tatsache gelitten, dass Deutsch meine Muttersprache,
für den Großteil der Welt die Sprache des Feindes war. Obwohl
ich Artikel auch auf Englisch und französisch schreiben konnte, trafen
sie nicht den Kern. So war die Zuwendung zum Bild eine Notwendigkeit und
eine Erleichterung.“ (Inge Morath, Das Leben einer Photographin, Wien 1999.
S. 14)
Ausgewählte Literatur:
Inge Morath, Portraits.
Salzburg, Wien 1999.
Inge Morath, Das Leben als
Photographin. Wien 1999.
Kurt Kaindl, Inge Morath
– Fotografien. Salzburg 2000.
Regina Strassegger, Inge Morath – Grenz.Räume. München, London, New York 2002.
Ausstellung: in Graz:
1992 Kulturhaus der Stadt
Graz
2001 Stadtmuseum
Text und Recherche: Brigitte Dorfer
Dank an Inge Morath, Werner Mörath und Regina Strassegger
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