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OLGA NEUWIRTH
Komponistin

geboren am 4.8.1968 in Graz

Ausbildung: Studium in Graz, Wien, San Francisco (bei Elinor Armer), in Paris (bei Tristan Murail), bei Adriana Hölsky und Luigi Nono

Umfeld:
Vater: Harald Neuwirth, Jazzpianist, Prof. an der Kunstuniversität Graz
Onkel: Gösta Neuwirth, Komponist und Musikwissenschafter, lebt in Berlin
Schwester: Flora Neuwirth
Gemeinsame Arbeiten mit Elfriede Jelinek



Olga Neuwirth - FotografIn: Anne Kirchbach

Olga Neuwirth wurde am 4.8.1968 in Graz geboren und wuchs in Schwanberg in der Weststeiermark auf. Ihre Familie ist sehr musikalisch – ihr Vater ist Jazzpianist und lehrt seit 1968 an der Kunstuniversität Graz (KUG), ihr Onkel ist Komponist und lebt in Deutschland, auch er war zwischen 1972 und 1982 Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik in Graz - jedoch so Olga Neuwirth: „“Es ist daheim nie um Musik gegangen.... Man ist bei den Konzerten gesessen, das war´s. Es gab keine Auseinandersetzung.“ Und in pianistischer Hinsicht habe der Vater für seine beiden Töchter keinerlei Ehrgeiz entwickelt: „Ich könnte ein Klavierkonzert für zwei linke Hände schreiben.““ (Presse, 28.10.2000, Spectrum V). Ab dem 7. Lebensjahr erhielt sie Trompetenunterricht. Nach einem Unfall, bei dem sie sich eine Kieferverletzung zuzog, musste Olga Neuwirth das Trompetenspielen beenden. Sie war damals 15 Jahre alt. Im Rahmen einer Jugendmusikwerkstatt mit Hans Werner Henze kam Olga Neuwirth in Kontakt mit der Komposition. Die Arbeit mit Henze war äußerst motivierend für Olga Neuwirth. „Ob er (Henze, B.D.) wirklich wollte, dass einer von uns Komponist wird, weiß ich bis heute nicht. Für ihn war zuerst einmal dieser Sozialaspekt im Vordergrund. Aber für mich ist es dann eine Welt geworden.“ (Presse, 28.10.2000, Spectrum V) Auf der Jugendmusikwerkstatt hat Olga Neuwirth die Schriftstellerin Elfriede Jelinek kennengelernt, mit der sie bis heute zahlreiche Projekte gemeinsam umgesetzt hat. Die erste Vertonung Olga Neuwirths für ein Stück von Jelinek war auch gleich ein großer Erfolg – 1991 „Der Wald“.
Neben ihrem musikalischen Talent hatte Olga Neuwirth auch einige Ambitionen im Sport, Tennis und Schifahren waren Sportarten, in denen sie es während ihrer Schulzeit zu einigen Preisen gebracht hat.

Im Wintersemester 1986/87 inskribierte sie an der Kunstuniversität (damals Hochschule für Musik und Darstellende Kunst) in Graz Komposition. Hier hielt es sie jedoch nicht lange, denn ihr ist schnell bewusst geworden, dass sie mehr lernen wollte, als an der Kunstuniversität angeboten wurde. Nach kurzer Zeit ging sie nach San Francisco, wo sie Malerei, Film und Komposition bei Elinor Armer studierte.
Ab 1987 studierte sie in Wien bei Erich Urbanner, bei dem sie mit ihrer Arbeit Über den Einsatz von Filmmusik in "L'amour à mort" von Alain Resnais ihr Diplom erwarb. Bei Dieter Kaufmann und Wilhelm Zobl studierte Olga Neuwirth Elektroakustik. Aber, so Neuwirths Feststellung, „genützt habe ihr diese Ausbildung überhaupt nichts: „Im Grunde bin ich Autodidakt.““ (Presse, 28.10.2000, Spectrum V)
1993/93 studierte sie in Paris am renommierten IRCAM von Pierre Boulez, bei Tristan Murail. Wesentliche Anregungen erhielt Neuwirth auch von Adriana Hölszky, Luigi Nono und ihrem Onkel Gösta Neuwirth.
Adriana Hölszky stärkt Neuwirth auch den Rücken im Musikbetrieb, der vor allem nach männlichen Spielregeln funktioniert. Die einzige Frau, die zur Zeit Olga Neuwirths im Kompostionsfach an der Hochschule für Musik in Graz unterrichtet erteilt Französischunterricht. „Viele Frauen, die mit mir angefangen haben, haben schnell wieder aufgehört.“ (Presse, 28.10.2000, Spectrum V)
Olga Neuwirth war 1994 Jurymitglied bei der Münchener Biennale für Neues Musiktheater, sie hatte und hat zahlreiche Aufführungen in Europa und den USA und bekam viele Auszeichnungen für ihre Arbeiten;
u.a. Förderungspreis der Stadt Wien (1992), Publicity-Preis der Austro-Mechana (1994), Siemens-Förderpreis (1998), Hindemith-Preis des Schleswig-Holstein Festivals (1999), Ernst-Krenek-Preis (2000). Stipendium des Berliner Künstlerprogrammes des DAAD (1996).
Olga Neuwirth wird zu allen renommierten Festivals für neue Musik geladen (Next generation (Salzburger Festspiele), Wien Modern, Donaueschinger Musiktage, Schwazer „Klangspuren“, steirischer Herbst, „Festival d´Automne“, Paris u.a.
1999/ 2000 schrieb Olga Neuwirth verschiedene Bühnenmusiken und Klanginstallationen – u.a. Uraufführung von „Bählamms Fest“ (mit Elfriede Jelinek, Wiener Festwochen 1999), „Clinamen/ Nodus“ (Uraufführung in London 2000), „Der Tod und das Mädchen“ (Uraufführung Expo Hannover 2000), „The Long Rain“ (Premiere steirischer Herbst 2000).
2001/02 ist Olga Neuwirth Composer-in-residence des Filharmonisch Orkest von Vlaanderen. Im Jahr 2002 ist Neuwirth composer-in-residence beim Luzern-Festival.

Gemeinsam mit Elfriede Jelinek ist ein Projekt über den Psychiater Heinrich Gross, der in der NS-Zeit in der Klinischen Abteilung „Am Spiegelgrund“ gearbeitet hat und wegen Beihilfe zum Mord angeklagt, aber nicht verurteilt wurde in Vorbereitung. „Das Thema fasziniert Elfriede Jelinek und mich. Es symbolisiert die Scheinheiligkeit, die Verdrängungssucht, die Oberflächlichkeit der Wiener Gesellschaft, wo alle miteinander verbandelt sind. Wer dient, ist willkommen, ganz gleich, aus welch schrecklicher Ecke er kommt. Das passt zu unserer Regierung. Ich verstehe diese Oper auch als Zeichen, so Neuwirth. (derstandard.at, 4.10.2000)
Trotz der zahlreichen Auftragsarbeiten und dem großen Erfolg ihrer Arbeiten, hat sich die Karriere „bis jetzt noch nicht auf die Höhe der Honorare ausgewirkt“. (zit. nach: Presse, 28.10.2000, Spectrum V) Stipendien und gut dotierte Preise werden, so wie existenzsichernde Lehraufträge und Professuren, immer noch vorwiegend an männliche Kollegen vergeben. Im Wintersemester 1997/98 hatte Olga Neuwirth einen Lehrauftrag am Institut für Elektronische Musik (KUG). Von 12 Lehrenden gibt es neben Olga Neuwirth noch eine Frau. Im Wintersemester 1998/99 ist Neuwirth unter 8 Lehrenden die einzige Frau. Französisch wird übrigens an diesem Institut nicht unterrichtet.
„Weil ich ja davon leben muß, werde ich von einer Uraufführung zur anderen gehetzt.“ (Kleine Zeitung, 6.8.1998, S.49)

Einen Vorschlag für ein Denkmal/ eine Installation für sich selber, machte Olga Neuwirth in einem Gespräch im Sommer 2001: es sollte ein akustisches Denkmal sein verbunden mit ihrem sportlichen Talent – zum Beispiel das Aufprallen eines Tennisballes, das immer wieder zu hören ist.

Im Rahmen des Musikprotokolls wurden folgende Werke von Olga Neuwirth im Stefaniensaal, im Grazer Congress aufgeführt:
9.10.1993 UA Lonicera Caprifolium für Ensemble und Tonband
8.10.1994 UA Sans Soleil - Zerrspiegel f. 2 Ondes Martenot, Orchester u. Live-Elektronik
4.10.1995 UA Akroate Hadal für Streichquartett
1.10.1998 ÖE Photophorus f. Orchester u. 2 E-Gitarren


Zitat: Ich lasse mich nicht wegjodeln (Titel der Rede von Olga Neuwirth bei der Großdemonstration in Wien vom 19.2.2000 gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ)
http://www.beckmesser.de/neue_musik/neu/jodel_d.html

Künstler sein, das ist fein, aber am liebsten sollte man tot sein. dann kann beliebig mit einem herumgeschoben und, wenn Übermut vorhanden, auch umgesprungen werden, die toten Meister stört es nicht mehr und auch ihre Erben sind ja bereits verstorben. Wie schön, mit uns Lebenden können sie es aber machen, dass sie gar nichts mit uns machen oder etwas, je nach Lust und Laune. (Offener Brief an ein paar französische Steuerzahler, die es interessiert, von Elfriede Jelinek und Olga Neuwirth)
Anlaß: Absage der Strassburger Oper für die geplante und vorbereitete Aufführung von „Bählamms Fest“)
http://ourworld.compuserve.com/homepages/elfriede/Anonym.HTM

Ausgewählte Literatur:
fragmen 27, Hg. von Stefan Drees. Saarbrücken 1999.

Olga Neuwirth, Hg. von Stefan Drees. Saarbrücken 1999.

Björn Gottstein, Olga Neuwirth: Morphologische Fragmente (2000)
http://www.beckmesser.de/neue_musik/neu/morph.html

Max Nyffeler, Text der Laudatio zur Verleihung des Plöner Hindemith Preises an Olga Neuwirth:  Im Spiegelkabinett der Klänge (Plön 1999)
www.beckmesser.de/neue_musik/neu/port.html

Die Presse, 28.10.2000

Kleine Zeitung, 6.8.1998

Studienführer der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (1986/87; 1997/98; 1998/99)

Text und Recherche: Brigitte Dorfer
Dank an Olga Neuwirth und Helga Kaudel.



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