Gedenktafeln für Frauen nach einem Entwurf von Sabina Hörtner
Juli 2003
Als 1996 die Zahlenkombination des Frauen-Notrufes aus 1,80 Meter hohem und 5 Meter breitem Nirostastahl von Veronika Dreier als Mahnmal zwischen Mur und Franziskanerkirche aufgestellt wurde, war dies das erste Werk einer Künstlerin im öffentlichen Raum von Graz. Eine kritische Bestandsaufnahme der Denkmäler ergab, dass von 195 Monumenten in Graz 191 zum Ruhm von Männern aufgestellt waren. Eine ähnliche Situation zeigt eine erste wissenschaftliche Bestandsaufnahme der Grazer Gedenktafeln, nur 14 waren ausschließlich Frauen, rund 200 Männern gewidmet.
Das Projekt „WOMENT! - 20+03 ORTE“ wurde entwickelt, um diesem Missstand der jüngeren Geschichte ein positives Signal entgegenzusetzen. Schließlich war Graz im 19. Jahrhundert den Frauen gegenüber aufgeschlossener als die Metropole Wien. An der Grazer Zeichnungsakademie waren Frauen seit 1806 zum Studium zugelassen, in Wien war Frauen ein Studium aller Fächer an der Akademie der bildenden Kunst erst ab 1918 möglich.
Das von Frauen initiierte und organisierte Projekt „20+03 ORTE“ schrieb für die Gestaltung der Gedenktafeln für Frauen einen Wettbewerb aus, zu dem ausschließlich Künstlerinnen geladen waren. Der Vorschlag von Sabina Hörtner wurde von der Jury einstimmig als Siegerinprojekt ausgelobt und zur Realisierung empfohlen.
Hörtners Entwurf zeichnet ein intelligentes ebenso vielseitiges wie schlüssiges Konzept aus. Sie vernetzt die an 23 Orten anzubringenden Tafeln farblich und linear durch eine übergeordnete subtile optische Identität, bei Beibehaltung des solitären Charakters jeder einzelnen Tafel. Die miteinander verknüpften Linien und die wechselnden Farben finden nach einer durch Zeit und Raum determinierten Trennung Fortsetzung und Anschluss an einem bestimmten Punkt des formalen Systems im öffentlichen Raum. Die gemeinsame Identität erhebt den Prozess zum gestalterischen Prinzip der Arbeit, die sowohl mit Grafik, Skulptur, Architektur, Environment als auch mit Malerei in einem sehr erweiterten Sinn in Verbindung zu bringen ist. Indem Sabina Hörtner sich in Plastizität und Materialität an den alten Emailtafeln der Straßenbeschilderung orientiert, appelliert sie an den Wiedererkennungswert gewohnter Wahrnehmungsmuster der Vergangenheit. Eigenständige künstlerische Position, Klarheit der Bildmittel, Wiederkennungswert und Ausbaufähigkeit der Idee bilden gemeinsam jene Komplexität, die dieses Projekt zur Würdigung von Frauen auszeichnet.
Gertrude Celedin
Kunsthistorikerin
Gertrude Celedin
Dr.in. Kunsthistorikerin. Geboren in Salzburg, lebt in Graz. Studium der Kunstgeschichte und Volkskunde in Graz. Von 1976 bis 1996 am Grazer Stadtmuseum, seit 1996 im Grazer Kulturreferat als Referentin für bildende Kunst tätig. Seit 1984 Mitglied und seit 1996 Vorsitzende der Grazer Altstadt Sachverständigenkommission.