Was wäre Graz ohne seine Frauen? Vor allem im nächsten Jahr, wenn die
Murmetropole Kulturhauptstadt Europas sein wird.
"Die Neue" hat Graz 2003 auf Frauenfreundlichkeit getestet. Das Ergebnis:
es gibt eine Menge Projekte von Frauen für Frauen. "Im Vergleich zum
Gesamtvolumen ist es aber noch immer ein winzig kleiner Anteil", so Bettina
Behr, Projektleiterin von "WOMENT!", wie sich das Frauenprogramm von Graz
2003 nennt. Von den insgesamt für das Kulturhauptstadtjahr veranschlagten
rund 30 Millionen Euro, werden nur 250.000 Euro für die Frauenprojekte
aufgewandt. Behr ist trotzdem zufrieden, ist Graz doch die erste
Kulturhauptstadt überhaupt, die auch ein dezidiert feministisches Projekt im Programm hat.
Der Name "WOMENT!" leitet sich aus einer Vielzahl von Begriffen ab. Darin
stecken "Movement" "Monument", "Women" und auch "Men". Oder es heißt
einfach: "Moment, wir Frauen haben auch was zu sagen!" Die Hauptidee von
"WOMENT!" ist es, die Geschichte von Frauen in Graz sichtbar zu machen.
Und die Landeshauptstadt hat eine Menge großer Töchter,
die entweder direkt aus Graz stammen oder eine Zeitlang in der Stadt
gewirkt haben. Bisher haben die Frauen aber wenige sichtbare Zeichen hinterlassen.
Anfang der neunziger Jahre waren von 167 Denkmälern lediglich drei Frauen
gewidmet. "Wir wollten einfach auf den Frauen-Stadtspaziergängen nicht mehr
sagen, dass es leider keine Denkmäler für unsere berühmten Frauen gibt," so
Behr. Deshalb soll man ihre Geschichte auch sehen können und zwar an
historischen Orten, die mit der Frau in Verbindung stehen. So zum Beispiel
im Fall der Widerstandskämpferin Maria Cäsar. Für sie wird eine Tafel am
Parkring 4 angebracht, dem ehemaligen Hauptsitz der Gestapo in der NS-Zeit.
So wie für Maria Cäsar, werden noch für 22 weitere Grazerinnen Gedenktafeln
an verschiedenen historischen Orten in Graz angebracht. Auf ihnen wird die
Geschichte der Frauen zu lesen sein, für die Ewigkeit, hofft Behr. Auf
einer Tafel verewigt wird auch die Politikerin Martha Tausk. Sie stammte
eigentlich aus den Niemejgen (NL), lebte aber zwischen 1917 und 1928 in
Graz, wo sie im Jahr 1919 als erste Frau für die sozialdemokratische Partei
im Landtag saß. Ihr Interesse galt den Arbeiterinnen, ihrer Lebenssituation
und ihren Rechten.
Ebenfalls mit einer Gedenktafel bedacht werden soll die Fotografin Inge
Morath, die erst vergangenen Jänner im Alter von 79 Jahren starb. Die
gebürtige Grazerin und weltberühmte Fotografin lebte in Deutschland,
Frankreich und den Vereinigten Staaten, wo sie im Jahr 1962 den Dramatiker
Arthur Miller heiratete. Unter anderem schoss sie in den fünfziger Jahren
Fotos von John Houstons Film "Moulin Rouge". Ihre Fotoreportagen führten
sie in den Iran, den Irak, nach Mexiko und nach Tunesien.
Bei all diesen Persönlichkeiten handle es sich um Frauen, die sich gegen
die gängigen Klischees gewehrt haben, erklärt Behr. Sie sollen "Frauen vor
Augen führen, dass es wichtig ist, mutig zu sein und seinen eigenen Weg zu gehen."
Und noch einer prominenten Grazerin wird im Kulturhauptstadt-Jahr Ehre
erwiesen. Im Grazer Restaurant Mayer´s in der Sackstrasse wird nach den
Rezepten der Grazer Kochbuchautorin Katharina Prato gekocht. Ihr Kochbuch
erschien zum ersten Mal im Jahr 1858 beim Styria Verlag und sollte
hauptsächlich Anfängerinnen dienen. Der für Kochbücher obligatorische
Ausdruck "Man nehme..." stammt ebenfalls von der Prato.
Ein weiteres Projekt ist die Superfrau von Veronika Dreier und Eva
Ursprung, die im nächsten Jahr als eine Art Erkennungszeichen für WOMENT!
über Graz schweben wird. Nicht wie ursprünglich geplant in Form eines Ballons,
sondern als Aufdruck auf Feuerzeugen und Kugelschreibern. Die blonde
Superfrau in ihren knappen Hotpants ist dabei nicht gerade ein Aushängeschild für die
feministische Idee. Behr: "Frauen zeigen auch ab und zu gerne Haut, nicht
unbedingt für die Männer sondern auch für sich selbst. Frau muss sich ja
nicht verstecken."
Ziel von WOMENT! ist es den Frauen endlich einmal auch weibliche Vorbilder
zu bieten", so Behr. Es geht um Grazerinnen die aus dem Mainstream
ausgetreten sind. "Andere Frauen sollen es diesen Vorbildern gleichtun",
wünscht sich die Projektleiterin.
WOMENT! ist aber nicht nur für Frauen gedacht, auch Männer sind eingeladen,
sich mit der weiblichen Geschichte von Graz und ihren Heldinnen
auseinanderzusetzen. "Auch die Männer sollen sehen, dass es verschiedene
Zugänge zum Leben gibt und keiner von beiden besser oder schlechter ist,"
so Behr. Schade findet sie es, dass die Männer sich nichts eigenes für Graz
2003 haben einfallen lassen.
Die Factbox:
23 Gedenktafeln
Die Gedenktafeln sollen an die Leistungen berühmter Grazerinnen erinnern.
So wird für die Widerstandskämpferin Maria Cäsar eine Tafel am ehemaligen
Gestapo-Hauptquartier errichtet.
Der "WOMENT!"-Infopoint
Das Café Palaver in der Griesgasse informiert über das geamte Projekt und
über alle Fraueneinrichtungen in Graz.
Die Superfrau
Die "Superfrau" von Veronika Dreier und Eva Ursprung schwebt das ganze Jahr
als Erkennungszeichen über der Stadt, in Form von Kugelschreibern und
Feuerzeugen.
"WOMENT!" im Netz
Die Website "woment.mur.at" informiert schon jetzt über das Projekt und
wird stets upgedatet.
KörperKult(ur)
Das Straßentheaterprojekt vom Frauengesundheitszentrum Graz widmet sich dem
Thema "Auf den Leib geschrieben, KörperKult(ur): Weibesfülle und Widerwille".
Videoproduktion
Die Videoproduktion des Vereines Mafalda, "Make a sign", wird die Arbeit
von Mafalda (Beratung und Projekte für Mädchen) vorstellen.
Movements - Monuments
Die Interuniversitäre Koordinationsstelle für Frauenforschung und -studien
der Uni Graz setzt sich mit Identität, Erinnerung, Gedenken und Denkmälern
auseinander.
Frauenbeauftragte
Unter dem Titel "Plakativ" wird das DOKU-Graz eine virtuelle Ausstellung
über die Geschichte der Frauenbeauftragten in Graz gestalten.
Kochen wie Prato
Nach Rezepten der berühmten Grazer Kochbuchautorin Katharina Prato wird im
nächsten Jahr im Grazer Restaurant Mayer's in der Sackstrasse gekocht.
FrauenWEGE
Die katholische Frauenbewegung erforscht und vermittelt interreligiöse und
überkonfessionelle Frauengeschichte.