Zum Beispiel: FRAUENSERVICE Graz – Aus der Praxis feministischer Frauenbildungsarbeit

„DIE MACHT, DIE WIR TEILEN, IST DIE MACHT, DIE WIR HABEN.“1


Bettina Behr

Grundlagen der Weiterbildung (D)
Dezember
Die Theorie und Praxis feministischer Bildungsarbeit ist nach wie vor eine Gratwanderung zwischen Widerstand und Anpassung. Als Beispiel für eine Bildungseinrichtung, die trotz knapper finanzieller Ressourcen innovative Bildungsprojekte entwickelt und durchführt, wird das FRAUENSERVICE Graz vorgestellt.

Bildung als Mittel zur Emanzipation von Menschen wird angesichts von Globalisierung, Budget-Null-Defiziten und den Forderungen der Wirtschaft zur AUS-Bildung. Das Ziel ist meist die funktionale Anpassung und Eingliederung in Tätigkeiten und Berufe, die sich an Lebensrealitäten orientieren, die sehr oft „nur für Männer“ gelten. Die gesicherte unbezahlte Versorgung von Kleidung, Heim, Herd, Kindern und älteren Menschen durch die (Ehe-)Frau ermöglicht das Idealbild des „Workaholic“: der Mensch/Mann im Dienst der Wirtschaft, der planbare Verfügbarkeit und Erfolgsstreben rund um die Uhr gewährleistet.

Bildungsangebote, deren Konzepte auf die unmittelbare wirtschaftliche Verwertbarkeit reduziert sind, reichen nicht aus, um die komplexen Anforderungen und Unsicherheiten im Zeitalter der Postmoderne zu bewältigen oder gar Veränderungsprozesse menschlichen Zusammenlebens zu initiieren und weiterzuentwickeln.
„Bildung soll sein, doch kann sie angesichts der condition postmoderne nicht mehr als Vereinheitlichung differenter Elemente oder als Besonderung eines Allgemeinen begriffen werden, sondern ist als Anerkennung, Offenhalten und Ermöglichung des Widerstreits zu verstehen.“ (Koller, 1999)

BILDUNG - NUR FÜR FRAUEN?
Aus- und Weiter-Bildung, deren einziges Konzept „Nur für Frauen“ ist, klammert noch immer die Reflexion, Analyse und Kritik auf der Basis der Geschlechterdifferenz der herrschenden gesellschaftlichen Strukturen aus. Orientiert an vermeintlichen „Bildungsdefiziten“ von weiblichen Menschen, die sich aufgrund „anderer“ Lebensrealitäten nicht problemlos in den aktuellen „Job-ready“-Sog einverleiben lassen wollen oder können, ist hier das Motto „Gleichheit statt Differenz“. Frauen als homogene Gruppe? Gemeinsamkeit durch das Abweichen von der männlichen Norm?

Auch neuere Bildungskonzepte des „Managing diversity“ werden in erster Linie als Möglichkeiten, ethnische Verschiedenheiten zu managen verstanden, obwohl sie sehr oft die Geschlechterdifferenz auch im Blickfeld haben: Das Thematisieren der Unterschiede zwischen den Geschlechtern ist noch immer ein fundamentaler Angriff auf das bisher etablierte Gefüge menschlichen Zusammenlebens – für Männer und Frauen.

FEMINISTISCHE FRAUENBILDUNG
Bildungsarbeit als feministische Bildung zu benennen, ist die bewusste Wahl eines Begriffes, der in den letzten Jahren durch die Arbeit feministischer Theoretikerinnen und Praktikerinnen nachhaltig präzisiert wurde.
Feministische Bildung versteht sich als nicht primär als Aus-Bildung. Ziel ist - wie zum Beispiel bei der Bildungsarbeit des FRAUENSERVICE -
„ ... die Veränderung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse zugunsten einer gleichwertigen Teilhabe von Frauen an allen Bereichen des Lebens“.
Dieses übergeordnete Ziel leitet bei der Konzeption einzelner Bildungsangebote, -projekte und –maßnahmen.

DAS BEISPIEL FRAUENSERVICE GRAZ
Seit 1984 bietet der gemeinnützige und parteiunabhängige Verein Beratung, Bildung und Projekte für Frauen an. Das „klassische“ Bildungsangebot des FRAUENSERVICE umfasst Selbstverteidigungskurse, Therapiegruppen, seit 1992 werden FrauenComputerKurse und Internet-Workshops angeboten, dazu kommen wechselnde Angebote wie Schreibwerkstätten, Gender-Mainstreaming-Seminare oder Seminare „Zum Umgang mit dem Fremden“.
Seit 1996 gibt es die arbeitsmarktspezifische Maßnahme „ZiB – Zurück in den Beruf“ und seit 1999 wird stadtteilbezogene Bildungsarbeit im „Stadtteilcafe PALAVER“ angeboten (Projektleiterin: Lisa Rücker). Aktuell sind 14 Mitarbeiterinnen im Verein beschäftigt, der von der Geschäftsführerin Drin. Ingrid Franthal geleitet wird.

1999, im Jahr des fünfzehnjährigen Bestehens, widmen sich die Ausgaben der Vereinszeitschrift Laufschritte „Gratwanderungen“, die Nummer 3/99 der „Gratwanderung: Feministische Bildung“. Für einen Beitrag zum Thema wird die Pädagogin Elisabeth Marchhart eingeladen, die ihre Diplomarbeit im Rahmen des „Feministischen Grundstudiums“ – ein seit 1998 in Europa einzigartiger Diplom- bzw. Universitätslehrgang -  zum Thema „Feministische Weiterbildung im Qualitätssicherungsdiskurs“ verfasst hat. Sie schreibt:
„Bildung für Frauen kann nicht mit feministischer Bildung gleichgesetzt werden, denn nicht immer ist die gesellschaftliche Einmischung von Frauen als Folge der Bildungsarbeit erwünscht – obwohl dies grundsätzlich ein Ziel von Bildungsarbeit wäre. Geht es doch in der Erwachsenenbildung im weiteren Sinne immer um die Ausbildung von Schlüsselqualifikationen, die auf persönliche berufliche oder politische Handlungserweiterung gerichtet sind. Das Einbeziehen der geschlechtsspezifischen Perspektive bleibt der feministischen Bildungsarbeit als wesentliches Qualitätsmerkmal vorbehalten.“ (Marchhart, 1999).

In der Praxis der Bildungsarbeit des FRAUENSERVICE führt in weiterer Folge die Diskussion über Qualitätssicherung zur gemeinsamen Ausformulierung des „Leitfadens zu Qualitätskriterien feministischer Frauenbildung im FRAUENSERVICE“, der anschließend in der Laufschritte 5/2000 veröffentlicht wird (Zusammenfassung: Fischer, 2000).

QUALITÄTSKRITERIEN FEMINISTISCHER FRAUENBILDUNG IM FRAUENSERVICE

Der Leitfaden umfasst Kriterien, die von der Institution FRAUENSERVICE verwaltet werden:

  • Definition der feministischen Ziele des FRAUENSERVICE im Leitbild
  • Veränderung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse zugunsten von Frauen als erstes Ziel für das Angebot der Bildungsveranstaltungen
  • Als Trainerinnen werden ausschließlich Frauen gewählt (Vorbild- bzw. Expertinnenfunktion)
  • Auswahl der Trainerinnen nach: fachlicher Kompetenz, Interesse an feministischer Frauenbildung; Kosten, Erreichbarkeit
  • Qualitätskontrolle durch Erhebung der Teilnehmerinnenzufriedenheit mittels Fragebögen sowie verbindliche Rückmeldungen der Trainerinnen über den Verlauf der Bildungsveranstaltungen
  • Beschränkung der Anzahl der Teilnehmerinnen pro Trainerin
  • Öffentlichkeitsarbeit in Verbindung mit niedrigschwelligem Zugang: Verbreitung der Informationen über die (Bildungs-)Arbeit durch die kostenlose Zeitschrift Laufschritte; kostengünstige Veranstaltungen
  • laufende Spezifizierung der Zielgruppe: von „Für alle Frauen“ zu „Welche Frauen wollen wir womit erreichen?“


Kriterien, die aus der Sicht des FRAUENSERVICE für die Teilnehmerinnen relevant sind:

  • Zeiten, Kosten, räumliche Gegebenheiten, Erreichbarkeit der Bildungsveranstaltungen
  • die jeweilige Bildungsveranstaltung entspricht der veröffentlichten Vorinformation
  • Kompetenz und Fachwissen der Trainerinnen
  • frauengerechte/zielgruppengerechte Sprache der Trainerinnen sowie Seminarmaterialien
  • Methodenvielfalt
  • anwendungsorientiertes lebenspraxisorientiertes Lernen
  • Stärkung des Zutrauens in eigene Kompetenzen und Fähigkeiten
  • Möglichkeit, eigenes Interesse, persönliche Bedürfnisse und individuelle Situation einzubringen
  • Raum und Zeit für Erfahrungsaustausch, für Vernetzungen unter den Teilnehmerinnen, für informelle Gespräche


Kriterien, die von den Trainerinnen verwaltet werden:
·  Förderung von Autonomie und Selbstbestimmung:

  • Respekt vor den Entscheidungen der Teilnehmerin und die Klarheit, dass nur sie selbst Expertin ihres Lebens ist
  • Differenzierung in der Gruppe: Berücksichtigung und Wertschätzung der Vielfalt der Lebensentwürfe von Frauen, Akzeptanz der Verschiedenheit, Thematisieren der unterschiedlichen Entwicklungsbedürfnisse
  • Offenheit des Bildungsprozesses für individuelle Bedürfnisse und Interessen - Ziele und Wege gemeinsam mit der Teilnehmerin entwickeln
  • Verantwortungsbewusster Umgang der Trainerin mit Macht und Leitungsauftrag: herrschaftsfreier Umgang mit den Teilnehmerinnen, Freiwilligkeit als Grundprinzip
  • Förderung von Emanzipation und positiver weiblicher Identifikation:
  • Verwendung von frauenadäquaten Beispielen (Bezugnahme auf weiblichen Erfahrungshintergrund, Verwendung der Weiblichkeitsform in Sprache und Schrift, weibliche Vorbilder und Protagonistinnen schaffen Identität)
  • Integration der weiblichen Lebenssituation und Ansetzen beim weiblichen Erfahrungshintergrund
  • Förderung von Kooperation unter Frauen. Thematisieren von Konkurrenz und Konflikt unter Frauen, Bewusstmachen der positiven Ressource von Frauengruppen im Sinne gegenseitiger Förderung und Unterstützung


·  Förderung des politischen Denkens:

  • Vermeidung und Aufdeckung von geschlechtsspezifischen Rollenfestschreibungen, traditionellen Denkmustern und Klischees 
  • Einbetten der subjektiven Erfahrungen der Teilnehmerinnen in gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge (erkennen, dass ich mit anderen Frauen gleiche Erfahrungen der Diskriminierung, der Rollenerwartungen teile)
  • Lebensbedingungen von Frauen in ihrer historischen Entwicklung sehen (erkennen, dass die gesellschaftliche Situation von Frauen veränderbar ist)
  • Erweiterung des Handlungsspielraumes durch Erkennen von „Spielregeln“ und Strukturen von MachtträgerInnen (Behörden, GeldgeberInnen), Entwickeln von Strategien
  • Unterstützung und Ermutigung bei der Infragestellung von Machtverhältnissen und der Inanspruchnahme persönlicher Rechte


GRAZER FRAUENSTADTSPAZIERGÄNGE
Ein weiterer Schwerpunkt der Bildungsarbeit ist die Vermittlung von Erkenntnissen der feministischen Geschichtsforschung. Seit 1991 veranstaltet das FRAUENSERVICE die „Grazer FrauenStadtSpaziergänge“, die von der Historikerin Brigitte Dorfer und der Kulturvermittlerin Ilse Wieser geleitet werden. Im Verlag des FRAUENSERVICE erschien 1998 auch der „Grazer Frauenstadtplan“ und der Falter „Frauen zu Graz“ (2000).

„Die kontinuierliche Vermittlung von politischer Frauengeschichte und feministischer Wissenschaftskritik als Grundlage feministischer Bildung sollte daher zu den Grundpfeilern europäischer demokratischer Bildungspolitik gehören. Die Auseinandersetzung, die Vernetzung und Vermittlung neuer, in den letzten zwanzig Jahren erarbeiteter Bildungsinhalte zur Geschichte der Frauen im allgemeinen und insbesondere zur Geschichte ihres politischen Widerstandes gegen patriarchale Macht- und Herrschaftsstrukturen, somit gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und strukturelle Gewaltmechanismen, die Unrecht gegen Menschen und die Menschlichkeit produzieren, sind unabdingbar für Toleranz, Aufgeschlossenheit und gleichberechtigte politische Handlungsspielräume.“ (Kubes-Hofmann, 1998)

In den FrauenStadtSpaziergängen werden Geschichte, Leistungen und Widerstand von Frauen und Frauengruppen, die in Graz gelebt und gearbeitet haben, vermittelt. Aufgrund der Tatsache, dass so wenig davon im Stadtbild selbst sichtbar ist, wurde von der Bildungsreferentin des FRAUENSERVICE, Bettina Behr, das Projekt WOMENT! entwickelt, dass im Rahmen von „Graz 2003 Kulturhauptstadt Europas“ durchgeführt wird.

WOMENT! - GESCHICHTE VON FRAUEN IN GRAZ WIRD SICHTBAR.
WOMENT! steht für „WOmyn 2 – MoveMENT/Bewegung – MonuMENTs/Denkmäler - MEN“.
Ziel von WOMENT! ist, anlässlich des Jahres 2003, in dem die Stadt Graz einzige Kulturhauptstadt Europas sein wird, Geschichte und Leistungen von Frauen und Frauengruppen in Graz dauerhaft für eine breites Publikum und als Signalwirkung für andere Städte sichtbar zu machen.

Im Rahmen des Projektes WOMENT! werden zehn Produktionen von acht Grazer Frauenorganisationen umgesetzt.
20+03 WOMENT-ORTE - Würdigungsstätten für Frauen und Frauengruppen werden in Form von Gedenktafeln oder –Installationen Vergangenheit und Gegenwart von Frauengeschichte über das Jahr 2003 hinaus sichtbar machen. Ein INFOPOINT im Stadtteilcafe Palaver informiert über das gesamte Projekt und sämtliche Fraueneinrichtungen in Graz und das Logo der „Superfrau“3 und die Website zum Projekt wurden von der Grazer Künstlerinnengruppe W.A.S. entwickelt.

Mehr als 30 Veranstaltungen, Publikationen und Internet-Projekte werden WOMENT! begleiten. Konzipiert sind die WOMENT!-Eröffnungsveranstaltung am 8. März 2003 und Veranstaltungen im vom Kunstverein W.A.S. gestalteten „Restaurant a la Katharina Prato“. Das Projekt „FrauenWEGE“ der Katholischen Frauenbewegung Steiermark erforscht interreligiöse und überkonfessionelle Frauengeschichte und außerdem werden vier Rundgänge auf den Spuren religiös bewegter Frauen aller Konfessionen angeboten. Die virtuelle Ausstellung „PLAKATIV!“ des DOKU Graz zeigt die Geschichte der Frauenbeauftragten der Stadt Graz.
Weiters geplant:

  • zehn Termine der FrauenStadtSpaziergänge des FRAUENSERVICE
  • Das interaktive Theaterprojekt des Frauengesundheitszentrum Graz zum Thema „Auf den Leib geschrieben. KörperKult(ur): Weibesfülle und Widerwille“
  •  die Theoriewerkstatt der Interuniversitären Koordinationsstelle für Frauen- und Geschlechterforschung der drei Grazer Universitäten unter dem Titel „Movements-Monuments“, die sich Identität, Erinnerung, Gedenken und Denkmälern widmen wird
  • und das Videoprojekt des Vereines Mafalda „Make a sign“, das die Arbeit und die Kreativität von Mädchenwelten zeigen wird. (vgl. Behr, 2001)


GENDER-KOMPETENZ-TRAINING
Ein weiteres Projekt des FRAUENSERVICE hat als Basis das in der Europäischen Union Mitte der 90er Jahre installierte Aktionsprogramm des Gender Mainstreaming.
„Gender Mainstreaming als neues Konzept für die Herstellung von Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen, wurde erstmals 1985 auf der Weltfrauenkonferenz von Nairobi diskutiert. Seit Mitte der 90er Jahre ist es Aktionsprogramm der EU und seit 2001 Rahmenstrategie der Gemeinschaft zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern (der alle Mitgliedstaaten verpflichtet sind), somit also als Erfolg der Frauenbewegung zu werten.
Als Strategie nimmt Gender Mainstreaming gerade die Unterschiedlichkeit der Geschlechter in Lebensbedingungen, Interessen, Kompetenzen etc. als Kriterium für eine Neuorganisation aller Bereiche des öffentlichen, privaten, politischen und kulturellen Lebens. 
Ziel ist also nunmehr nicht nur die Gleichstellung von Mann und Frau, sondern die Chancengleichheit für Frauen und Männer unter Berücksichtigung ihrer Unterschiedlichkeit im sozial geprägten Geschlecht (Gender) und unter Betonung der Gleichwertigkeit (Equality).“
(vgl. Fischer, 2001)

Sigrid Fischer, Trainerin in der FRAUENSERVICE - Kursmaßnahme „ZiB - Zurück in den Beruf“ entwickelte ein Konzept für „Gender Kompetenz Seminare“: Die „Ideenwerkstatt Gender“, in der erstmals gemeinsam mit Mitarbeitern der „Männerberatung Graz“ kooperiert wird (Konzept: Sigrid Fischer / Christian Scambor).

GENDER KOMPETENZ SEMINARE
Die Seminare intendieren einen demokratischen Geschlechterdialog, fördern aufeinander bezogenes Lernen der Geschlechter und unterstützen bei der Umsetzung von Gender Mainstreaming. Sie richten sich an Frauen und Männer, die

  • mehr über Gender Mainstreaming wissen wollen
  • Gender Kompetenz für ihr eigenes Handlungsfeld entwickeln wollen
  • sich mit der gesellschaftlichen und sozialen Bedeutung von „Geschlecht“ auseinandersetzen wollen
  • Gender Mainstreaming in ihren Organisationen umsetzen wollen.
Seminarinhalte sind z.B.: Gender Kompetenz – Basiswissen - Gender Kompetenz in gemischten Teams - in Bildungssituationen - in der Sprache - in Organisationen - sowie: Kriterien für Planung, Entwicklung und Durchführung; Gestaltungsmöglichkeiten im individuellen Arbeitsfeld.

„Eine Kooperation zwischen Frauen und Männern mit dem gemeinsamen Ziel der Geschlechterdemokratie beinhaltet die Teilung der Verantwortung. (...)
Gender Mainstreaming wird hier verstanden als eine Erweiterung der Strategien und kann zum momentanen Zeitpunkt Frauenpolitik, die Erhaltung von Frauenräumen und Frauenförderung nicht ersetzen. Sie ist gedacht als eine parallel laufende Gender-Politik bis zu einer tatsächlichen Veränderung aller gesellschaftlichen Strukturen.“ (Fischer, 2001).

Maga. Bettina Behr, Projektmanagerin von WOMENT! und Bildungsreferentin im FRAUENSERVICE Graz

Literatur
BEHR, Bettina, WOMENT!. Geschichte von Frauen in Graz wird sichtbar. In: Laufschritte 4/01; FISCHER, Sigrid, Gender Mainstreaming – Ideenwerkstätte Gender. In: Laufschritte 4/01; ds. Leitfaden zu Qualitätskriterien feministischer Frauenbildung im FRAUENSERVICE. In: Laufschritte 5/00; HEINRICHS, Gesa, Bildung – Identität – Geschlecht. Eine (postfeministische) Einführung. Königstein/T. 2001; KOLLER, Hans Christoph, Bildung und Widerstreit. Zur Struktur biographischer Bildungsprozesse in der (Post-)moderne. München 1999; KUBES-HOFMANN, Ursula, WOHOFSKY, Elisabeth (Hg.), Sternzeit. Frauengenerationen und historisches Bewusstsein. Wien 1998; MARCHHART, Elisabeth, Feministische Weiterbildung im Qualitätssicherungsdiskurs. Diplomarbeit, Kremsmünster 1999; ds. Qualitätsmerkmale feministischer Bildung. In: Laufschritte 3/99; Internet: Feministisches Grundstudium: www.rmc.ac.at; FRAUENSERVICE Graz: www.frauenservice.at; Männerberatung Graz: www.maennerberatung.at;
 

1 Wahlspruch der thailändischen Frauenunterstützungsgruppe EMPOWERMENT
2 Schreibweise amerikanischer feministischer Linguistinnen für women
3 Superfrau: © Dreier/Ursprung

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Kulturhauptstadt der „Superfrauen“ STEIERMARK: Grazerinnen sichtbar machen

Der Standard
16.10.2001

Graz – Graz hat viele großen Töchter: Oktavia Aigner-Rollett, die zweite in Österreich zugelassene Ärztin, die Architektin Herta Frauneder-Rottleuthner, die Fotografin Inge Morath, die Malerin Elisabeth-Charlotte Merems-Martiny oder die Schriftstellerin Ingeborg Day. Das sind nur einige jener Frauen, die ihre Stadt veränderten und international bekannt machten. Denkmäler oder Straßennamen, die an die großen Grazer Frauen erinnern, sucht man in der Stadt aber vergeblich.
Das Projekt „Woment!“, das im November startet, will die Geschichte der berü;hmten Grazerinnen in der Kulturhauptstadt 2003 „für eine breite Öffentlichkeit nachhaltig sichtbar machen“. Dabei werden Grazer Frauengruppen bis Anfang 2004 gemeinsam zehn Projekt realisieren. Begleitendes Logo ist die „Superfrau“ der Künstlerinnen Veronika Dreier und Eva Ursprung.
Das Hauptprojekt von „Woment!“ ist „20+03“ Orte“. An 23 Orten der Stadt sollen Tafeln und Installationen auf die Leistungen von Grazer Frauen hinweisen. Katharina Prato, die im 19. Jahrhundert einen kulinarischen Bestseller verfasste, wird etwa ein Restaurant in der Grazer Innenstadt gewidmet. „Woment!“ - Koordinatorin Bettina Behr: „Wichtig ist, dass die Zeichen 2004 nicht wieder abmontiert werden.“
Dass das Projekt jenen 47 Millionen Schilling zum Opfer fällt, die „Graz 2003“ einspart, wird eben dort dementiert: „Woment!“ wird nicht betroffen sein,“ so eine Sprecherin. (cms).

Bildtext: Die „Superfrau“ – Symbolbild der Künstlerinnen Dreier und Ursprung: Teil des Kulturhauptstadt-Projekts (Foto: Eva & Co.)

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WOMENT!

Geschichte von Frauen in Graz wird sichtbar.

Laufschritte 4/01
September 2001


Brigitte Dorfer, Ilse Wieser und ich sprechen über das Konzept der FrauenStadtSpaziergänge 2001. Wieder einmal bieten sich für den Text zum nächsten Jahresprogramm die Zeilen „Meist gibt es keine sichtbaren Zeichen mehr, die auf die Leistungen der Frauen in dieser Stadt hinweisen“ an. Dazwischen meldet sich Erika Lackner, die für das Projekt „Kulturinitiativen im Bezirk Jakomini“ recherchiert, am Telefon:„ und Ihr müsst unbedingt Eure FrauenStadtSpaziergänge bei Graz Kulturhauptstadt 2003 einreichen“, mit ihren Worten kehre ich zu Brigitte und Ilse zurück.
Die FrauenStadtSpaziergänge bei der Kulturhauptstadt einreichen? Moment: Da sammelt doch grade eine Frauen-Arbeitsgruppe unter der Leitung der Pfarrerin Karin Engele Ideen zu einem 2003-Frauenprojekt ...

Visionen zum ALLEM, was mit den 750 Millionen Budget der Kulturhauptstadt realisiert werden könnte, tauchen auf: Ein aktueller Grazer Frauenstadtplan, ein neues Buch und ein Lexikon zur Frauengeschichte, die Website, interaktiv selbstverständlich und gleich das dazu passende Computerspiel, Videos, Brettspiele und unbedingt SICHTBARE Zeichen zur Geschichte von Frauen in dieser Stadt, Denkmäler für Töchter dieser Stadt, ein ganzes Netz von Orten zur Grazer Frauengeschichte u.v.m.

In den nächsten Wochen und Monaten wird aus dieser Idee das Projekt „WOMENT!“. WOMENT! steht für „WOmyn* – MoveMENT/Bewegung – Monuments/Denkmäler - Men“ und in meiner Phantasie widmet sich das ganze Kulturhauptstadtjahr dem Thema „WOMENT!“. Das wäre auch passend für eine Stadt wie Graz, in der die erste und einzige feministische Kunstzeitschrift gegründet wurde – Eva & Co. (1982 – 1992); Graz, die als erste österreichische Stadt eine Frauenbeauftragte - Drin. Grete Schurz – hatte; eine Stadt, in der es den Grazer Frauenrat gibt - ein überparteiliches Gremium, in dem Expertinnen aus vielen Arbeitsfeldern zusammenarbeiten; Graz, wo seit 10 Jahren die FrauenStadtSpaziergänge des FRAUENSERVICE möglich sind, wird im Jahr 2003 auch erste europäische UNO-Menschenrechtsstadt sein wird und könnte Vorreiterin zum Bereich „Frauenrechte sind Menschenrechte“ werden ...

Die andere Seite:
Denkmäler, Gedenktafeln,– wie viele davon in Graz gibt es eigentlich und wem sind sie gewidmet? Einige Zeit später erfahre ich von einer Studie, die Veronika Dreier 1990 für die damalige Frauenbeauftragte der Stadt Graz (übrigens die Erste in Österreich), Grete Schurz, durchgeführt hat: von 193 Gedenktafeln, Denkmälern, Plastiken waren ganze vier Frauen gewidmet! Auch bei den Straßennamen sieht es nicht viel besser aus: Karl Kubinsky, der gemeinsam mit Astrid Wentner das Buch „Grazer Straßennamen“ herausgegeben hat, wundert sich, dass mehr Straßen nach Vogelnamen als nach Frauen benannt sind: „Wenn man weiß, dass es mehr Vogelarten mit eigenen Straßen gibt, dann fragt man sich, was diese Tiere für den Ruhm der Stadt mehr geleistet haben als die Frauen“.

Ja, das fragt sich nicht nur mann, sondern vor allem frau.
Feministische Geschichtsforscherinnen gehen von der Voraussetzung aus, dass Frauen Geschichte gemacht haben und zu jeder Zeit einen wesentlichen Anteil am gesellschaftlichen Lebensprozess hatten.
Dass sowenig davon im Stadtbild sichtbar ist, hat seinen Grund in der Bewertung von Leistungen. Die patriarchale Geschichtsschreibung würdigte bisher besonders gerne Kriege, Eroberungsfeldzüge und dergleichen mehr, Leistungen der Wissenschaft, der „schönen Künste“. Und das alles nach Kriterien, die sich an der Lebensweise von Männern orientieren.
Frauen waren bis in unser Jahrhundert von Universitäten, der Kunstproduktion, der Politik, von Wahlen, überhaupt der Beteiligung am öffentlichen Leben ausgeschlossen.
Leidtragende oder Beteiligte an Kriegen waren sie sehr wohl. Doch wer gedenkt zum Beispiel der zahlreichen Frauen, die in Kriegen vergewaltigt, verschleppt, ermordet wurden?
Wer gedenkt der Wissenschafterinnen, Künstlerinnen, politisch tätigen Frauen, die sich trotz hartnäckiger Widerstände ihre Räume in verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereichen erkämpft haben?

In Graz gibt es mittlerweile einige Denkmäler für Frauen. Besser gesagt: gab. Denn Veronika Dreiers Mahnmal, die Telefonnummer des Frauennotrufes, wurde zugunsten eines (wenig frequentierten) Kinderspielplatzes abmontiert und harrt der Wiederaufstellung. Ein Teil des Denkmales für Octavia Aigner-Rollet, erste Ärztin in Graz, ist wegen Bauarbeiten entfernt worden. Für immer? Und Erika Thümmels Entwurf zur Würdigung der Malerin Nobertine Bresslern-Roth konnte bisher wegen fehlender Geldmittel nicht realisiert werden.

Fast ein Jahr und mehr als 1000 Arbeitsstunden später:

Mit der Unterstützung des Teams der Kulturhauptstadt 2003 und vieler Partnerinnen wurde das Projekt WOMENT! entwickelt:
Ziel von WOMENT! ist, anlässlich des Kulturhauptstadtjahres 2003 Geschichte und Leistungen von Frauen und Frauengruppen in Graz dauerhaft für eine breites Publikum und als Signalwirkung für andere Städte sichtbar zu machen.

In dieser Form einzigartig in Europa (weltweit?) sind folgende Produktionen geplant:
20+03 Würdigungsstätten für Frauen auf einen Streich - in Form von Gedenktafeln oder –Installationen werden 23 WOMENT!-ORTE in Graz Vergangenheit und Gegenwart von Frauengeschichte sichtbar machen.

Der WOMENT!-INFOPOINT im Stadtteilcafe Palaver informiert über das gesamte Projekt und sämtliche Fraueneinrichtungen in Graz.

Die SUPERFRAU von Veronika Dreier und Eva Ursprung wird als WOMENT!-Erkennungszeichen das Projekt begleiten und die WOMENT!-WEBSITE, gestaltet von Doris Jauk-Hinz, informiert virtuell.

10 WOMENT!-Partnerinnen, mehr als 30 Veranstaltungen und Produktionen im Jahr 2003, 11 Publikationen und mehrere Internet-Projekte sollen WOMENT! begleiten.

Konzipiert sind u.a.:

  • das WOMENT!-Eröffnungsevent am 8. März 2003

  • Veranstaltungen im INFOPOINT, im vom Kunstverein W.A.S. gestalteten „Restaurant a la Katharina Prato“ (in dem nach Rezepten der berühmte Kochbuchautorin gekocht wird)

  • das Projekt „FrauenWEGE“ der Katholischen Frauenbewegung, die interreligiös und überkonfessionell Frauengeschichte erforscht

  • das Projekt „PLAKATIV!“ des DOKU Graz, das als virtuelle Ausstellung die Geschichte der Frauenbeauftragten der Stadt Graz zeigen wird.

  • Dazu gibt es zwölf Termine der beliebten FrauenStadtSpaziergänge des FRAUENSERVICE

  • vier Rundgänge auf den Spuren religiös bewegter Frauen aller Konfessionen

  • das interaktive Theaterprojekt des Frauengesundheitszentrum Graz (gemeinsam mit Interact) zum Thema „Auf den Leib geschrieben. KörperKult(ur): Weibesfülle und Widerwille“

  • die Theoriewerkstatt der Interuniversitären Koordinationsstelle für Frauenforschung – und studien der Universitäten Graz unter dem Titel „Movement-Monument“, die sich Identität, Erinnerung, Gedenken und Denkmälern widmen wird

  • und das Videoprojekt des Vereines Mafalda „Make a sign“, das die Arbeit und die Kreativität von Mädchenwelten zeigen wird.


Herzlichen Dank an ALLE, die WOMENT! bisher unterstützt und begleitet haben!
Der Projektstart ist für November 2001 geplant.

Bettina Behr
Projektmanagement WOMENT!
Weitere Informationen: bildung@frauenservice.at
WOMENT! - Idee, Konzept, Koordination: Bettina Behr
Im Auftrag von Graz Kulturhauptstadt Europas 2003 www.graz03.at
und FRAUENSERVICE www.frauenservice.at
Mit Unterstützung der WOMENT!-NETZ-Partnerinnen und zahlreicher Menschen.
SUPERFRAU: © Dreier/Ursprung



*Schreibweise amerikanischer feministischer Linguistinnen für women

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